Nürnberger stellt mit Kunstobjekt zum Wohnen Fragen zur Stadt der Zukunft
18.4.2021, 18:14 Uhr"Penthaus à la Parasit" heißt Jakob Wirths charmanter Zwitter aus humorvollem Kunstprojekt, bewohnbarem Häuschen und politischem Aktivismus. Es ist ein Statement gegen die galoppierenden Miet- und Immobilienpreise und für die Freiheit der Kunst. In mehreren Städten schon hat er sein Winzhaus auf Dächer gepflanzt. Auch in Pandemiezeiten ein abgeschiedenes Quarantäne-Refugium.
3,6 Quadratmeter ist das aus Holzmodulen gebaute Penthaus groß, oder besser gesagt klein. "Die Einzelteile passen durch jedes Treppenhaus und jede Dachluke", sagt der Häuslebauer der besonderen Art über sein Schätzchen, das ein Fenster und eine Tür hat. Die Komposttoilette steht außen. Die Innenausstattung besteht aus einem Bett, einem Tisch, einem Hocker, einem Regal und einer Miniküche, die aus zwei Gas-Herdplatten besteht. Aufbauen lässt sich das Stecksystem in vier bis fünf Stunden: Wohnraum für Nomaden mit Hang zum Giebeldach-Eigenheim. Aber dennoch natürlich alles andere als Luxus. Der Komfort hält sich sehr in Grenzen. Ein "prekäres Penthaus" sozusagen.
Seiner Umgebung passt es sich perfekt an: Es ist außen komplett mit Folie beschichtet. Wolken und die Umgebung spiegeln sich darin. "Ein Arbeiter, der gleich nebenan zugange war, hat erst nach Feierabend gemerkt, dass dort ein Haus steht", sagt Wirth. Das ist ganz in seinem Sinn: Wie ein Parasit ist das Haus von seinem Wirt abhängig und assimiliert sich möglichst perfekt. Wer es dennoch entdeckt, ist schwer irritiert. Es wirkt wie ein Ufo, das dort gelandet ist. Ein kleines Ufo.
Mit seinem Wohnsystem hat Wirth bereits Häuser in Berlin und München "besetzt", in gentrifizierten In-Stadtteilen, aber auch in der Peripherie. Dort, in den Schlafstädten, stellen sich ganz andere Zukunftsfragen als in den sündhaft teuren Zentren.
Es gibt auch mal Ärger
"Aneignung von oben" nennt Wirth sein Prinzip: Auf die Dächer pflanzt er sein "Penthaus" wie einen Parasiten und ohne Erlaubnis der Hausbesitzer. Doch, sagt er, das habe auch schon mal Ärger gegeben, bis hin zu einer Gerichtsverhandlung. Das Verfahren wurde eingestellt, die für Wirth wichtigen Fragen aber aufgeworfen: Wie gehen wir mit ungenutzten Flächen in den Städten um? Wer wohnt oben, wer unten? Wer kann sich Wohnen in den Zentren noch leisten? Und was kann gegen den angespannten Wohnungsmarkt in ganz Deutschland getan werden? Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen, die zu diskutieren das Penthäuschen mit einer Prise Humor einlädt.
Zum Beispiel auch mit Blick auf die Verkaufspreise, zu denen es Wirth auf "Immobilienscout 24" inseriert hat: 34000 Euro in Berlin und 56000 Euro in München. "Das entspricht den Quadratmeterpreisen für Penthäuser in der jeweiligen Stadt", rechnet er vor. Interessenten gäbe es durchaus, aber nicht zu den Bedingungen des Verkäufers: "Vorgabe war, dass man es nicht auf das eigene Dach stellen darf, sondern nur auf ein fremdes. Es soll kein glänzendes Schmuckstück werden", erklärt er.
2019 ging Wirth nach Studienaufenthalten unter anderem an der Bauhaus-Uni in Weimar, in Madrid und Chicago nach Berlin. Und erlebte am eigenen Leib, wie schwierig es ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Idee zum Mini-Penthaus wurde geboren – und umgesetzt. "Es ist natürlich utopisch, mit solchen Häusern das Wohnungsproblem zu lösen", weiß der Künstler. "Eine symbolische und reale Intervention" nennt er sein Werk, das eine winzige Fläche ganz real nutzbar macht und zugleich große Fragen aufwirft: Wem gehört die Stadt?
Kostenlose Vermietung
In die Breite trägt er sie durch Begleitaktionen und die kostenlose "Vermietung" des Objekts. "Alle Termine waren bislang ausgebucht", sagt er. Derzeit ist das Penthaus zerlegt und eingelagert. Für dieses Frühjahr kann und möchte Wirth wegen der für alle unwägbaren Corona-Situation nicht planen. Klar ist aber, dass das "Penthaus à la Parasit" sich wieder auf Hausdächern in Metropolen einnisten wird. Wo und wann, darüber kann Wirth aber noch nichts sagen. Und außerdem gehört es zum Prinzip, dass sich ein "Parasit" nicht ankündigt, sonst wehrt sich der Wirt vielleicht...
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Jetzt arbeitet der Künstler aber erst einmal an einem neuen Projekt für Nürnberg. Auch damit will er hoch hinaus: Mit einer Seifenblasenmaschine, die er auf die Stadtmauer baut und dort in Betrieb setzt.
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