"Otis" von Jochen Distelmeyer: Sinn in der Sinnlosigkeit

24.3.2015, 08:06 Uhr

© Frank Zauritz / PR

Es geht ums Loch. Gestern war es noch nicht da. Nun schon. Vielleicht ist darin auch jemand verschwunden. Über ein Dutzend Seiten lang wird dieses Nichts zum Dreh- und Angelpunkt von Jochen Distelmeyers Debüt-Roman „Otis“.

Mit seiner Hauptfigur Tristan Funke sind wir zu Gast in einer angesagten Hauptstadtbühne bei der Inszenierung eines angesagten Hauptstadt-Regisseurs. Die Akteure haben sich um eine Öffnung versammelt, reden mal mehr, mal weniger wirres Zeug. Eine absurde Situation, die eigentlich genau das Thema von Distelmeyers Roman widerspiegelt. Die Absurdität des menschlichen Daseins, das bei allem Handeln immer wieder von Zufällen abhängig ist. Vielleicht geht es aber auch um die Absurdität, als Meister einer kleinen literarischen Form, des Lieds, plötzlich einen Roman schreiben zu müssen.

Moderne Odyssee

Zufälle und Parallelhandlungen gibt es in diesem Roman reichlich. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der, um die alte Liebe zu vergessen, nach Berlin gekommen ist und nun an einem Roman schreibt. Eine moderne Odyssee soll es sein. Tatsächlich wird ihm ein Termin mit dem Verleger vermittelt, der aussieht wie eine „Mischung aus José Mourinho und Charlie Sheen“ und gleichzeitig die Karikatur von Suhrkamp-Streithahn Hans Barlach sein soll. Von ihm bekommt Funke erklärt, was die Leute heute lesen wollen. Klar, irgendwas mit Transen und Analsex. „Pan ist tot!“

Je länger man dieses Buch liest, desto öfter stellt man sich die Frage, ob Distelmeyer ernst meint, was er da zu Papier gebracht hat. Oder ob „Otis“ einfach eine raffinierte Satire ist, bei der selbst die Werbetexter des Verlags mitspielen und irgendwas von „wechselt das Genre, ohne auf den ihm eigenen dichterischen Ton zu verzichten“ faseln. Vielleicht ist alles nur ein großer Witz über die Pop-Literatur, über den Kulturbetrieb, über die Gegenwart. Verfasst in einer erschreckend einfallslosen Sprache.

Ins Buch packt Distelmeyer jede Menge aktuelle, manchmal schon etwas in die Jahre gekommene Bezüge. Der Streit ums Holocaustmahnmal darf ebenso wenig fehlen wie ein Besuch im Tiergarten in Friedrichsfelde. Alles stumpfsinnig angereichert mit Wikipedia- oder Sonstwoher-Wissen. Funkes Streifzüge durch Berlin gleichen ohnehin oft einem Reiseführer-Bericht.

Das Buch ist sinnlos. Doch darin liegt vielleicht der Sinn. Stellen wir uns einfach vor, wie Jochen Distelmeyer gerade in einem dieser angesagten Kiez-Cafés sitzt. Er trinkt ein angesagtes Warmgetränk und lacht über den ganzen Rummel, den sein Buch verursacht hat. Hoffentlich. Alles andere wäre eine tragische Wendung in der Karriere eines hochdekorierten Diskurs-Pop-Künstlers.

Jochen Distelmeyer: Otis. Roman, Rowohlt-Verlag, 288 Seiten, 19,95 Euro. Am Dienstag, den 31. März, liest Distelmeyer aus seinem Roman im E-Werk in Erlangen.

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