Rückblick: Vor 200 Jahren schloss die Universität Altdorf

8.10.2009, 00:00 Uhr

Uni Erlangen.

NZ: Was war das Besondere an der Lehre und Forschung in Altdorf?

Schnabel: Die Einrichtungen waren einmalig modern und durch die Reichsstadt Nürnberg gut finanziert. Altdorf hat als eine der ersten Universitäten in Deutschland den Experimentalunterricht eingeführt. In Chemie und Physik hatte man ein eigenes Labor mit mehreren chemischen Öfen – Bestausstattung zur damaligen Zeit. Der Botanischen Garten war berühmt und lockte Leute von weit her an. Es gab außerdem ein Theatrum Anatomikum, eine Einrichtung, in der öffentliche Sektionen an Leichen gezeigt wurden. Das war damals nicht selbstverständlich. Die Stadt hat viel Geld investiert.

NZ: Weshalb befand sich der Campus in Altdorf anstatt in Nürnberg?

Schnabel: Die jungen Männer sollten nicht durch das Großstadttreiben vom Studieren abgelenkt werden. Es gab immer wieder Diskussionen, die Universität nach Nürnberg hineinzuverlegen, da es ein erheblicher Verwaltungsaufwand war, Mitteilungen der Stadt nach Altdorf hinauszuschicken.

NZ: Gab es durch die Gelder Einfluss auf die Lehre von Seiten der Stadt?

Schnabel: Lehrstühle wurden gezielt besetzt und so gewisse Schwerpunkte gebildet. Bei den Theologen war es auffällig, dass sich mit der Zeit die streng lutherisch-orthodoxe Richtung durchsetzte. In der Frühzeit war Altdorf noch sehr offen gegenüber anderen religiösen Meinungen. Bei der Auswahl der Professoren war man zunächst vor allem daran interessiert, die besten Leute zu bekommen. Ganz egal, was sie geglaubt haben.

NZ: Wer hat in Altdorf gelehrt?

Schnabel: Lorenz Heister hat hier gelehrt, einer der bedeutensten Mediziner seiner Zeit. Johann Christoph Wagenseil lehrte in der Orientalistik. Er schrieb das erste wissenschaftliche Werk über den Nürnberger Meistersang. Es gab damals lediglich die traditionellen vier Fakultäten der alten Universitäten. Die Theologen, Juristen, Mediziner und Philosophen, zu denen damals die Naturwissenschaften zählten.

NZ: Aber auch Reitunterricht und Tanzen standen auf dem Lehrplan.

Schnabel: Die Studenten sollten nicht nur Fachwissen erlernen, sondern auch sich in der vornehmen Welt zurechtzufinden. Die Juristen wollten eine Stelle am Hof. Wer etwas gelten wollte, der musste firm sein im Reiten, Fechten, Tanzen. Altdorf hatte über lange Zeit einen hohen Anteil adeliger Studenten.

NZ: Welche berühmten Persönlichkeiten sind denn aus Altdorf hervorgegangen?

Schnabel: Der Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz hat in Altdorf studiert und promoviert. Wallenstein war hier Student, weil er jedoch ständig in Streitereien verwickelt war, hat man ihm nahe gelegt, die Universität wieder zu verlassen. Der Jurist Johann Wolfgang Textor, Großvater von Goethe, hat in Altdorf studiert. Komponisten wie Johann Pachelbel, Dichter wie Friedrich von Logau. Der Sohn von Johann Keppler, dem berühmten Astronomen, ging hier zur Universität. Alles Leute, die namhaft geworden sind über Nürnberg hinaus.

NZ: Weshalb wurde die Universität Altdorf im Jahr 1809 aufgelöst?

Schnabel: Bereits 1806 übernahm das Königreich Bayern die Reichsstadt Nürnberg, und der Staat sollte nach modernen Gesichtspunkten neu organisiert werden. Dabei hat man wenig Rücksicht auf bestehende Institutionen genommen. Die Universität Altdorf hatte sinkende Studentenzahlen. In Erlangen wurde die Konkurrenz-Universität gegründet, was Studenten abzog. Die Erlanger konnten außerdem höhere Professorengehälter zahlen. Nürnberg war damals nahezu pleite. Man wollte eine protestantische Universität in Bayern erhalten, um die Theologen-Ausbildung sicherzustellen. Erlangen hatte dabei die besseren Karten. Sonst hätten wir möglicherweise heute noch eine Universität in Altdorf.

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