Star Wars: Spoilerfreie erste Kritik zu "Das Erwachen der Macht"

16.12.2015, 09:00 Uhr
Auf der Flucht vor Kylo Ren und seinem Gefolge: Rey (l.) und Finn.

© Lucasfilm / Disney Auf der Flucht vor Kylo Ren und seinem Gefolge: Rey (l.) und Finn.

Dieses Gefühl kann einen fast in den Wahnsinn treiben. Wenn man als Fan diesen einen, diesen ganz besonderen Film sehen will, aber sich noch gedulden muss für Jahre, Monate, Tage und Stunden. Noch schlimmer: Wenn man dabei noch mit winzigsten Info-Häppchen immer wieder mal angefüttert und zu wildesten Spekulationen angefeuert wird, ohne dass überhaupt etwas Entscheidendes verraten wird. Wer dieses Gefühl nachempfinden kann, weiß, was "Star Wars"-Fans auf der ganzen Welt in letzter Zeit so durchgemacht haben.

Die Handlung, das Schicksal mancher Figuren, eigentlich so gut wie alles rund um "Episode 7: Das Erwachen der Macht" wurde von offizieller Seite höchst erfolgreich behandelt wie ein Staatsgeheimnis. Der hysterische Hype um diesen Science-Fiction-Kosmos, der sich über Jahrzehnte zum popkulturellen Phänomen entwickelte, und um die Figuren, die zu Ikonen der Filmgeschichte wurden, steigerte sich in den vergangenen Monaten mit dieser Strategie noch einmal auf ein kaum vorstellbares Level. Nun aber feierte die Fortsetzung von George Lucas‘ Sternen-Krieger-Saga endlich Premiere – und aus Spekulationen werden Gewissheiten.

Eine der entscheidenden Fragen im Vorfeld war: Was ist aus Luke Skywalker geworden, dem einstigen Helden und jungen Jedi-Ritter aus der alten Trilogie, die zwischen 1977 und 1983 entstand? Der Darsteller Mark Hamill ist wieder dabei, so viel ist bestätigt. Im Trailer und unter den Gesichtern auf dem Plakat ist von ihm aber keine Spur. Hat es den Jedi nach all den Jahrzehnten nun doch auf die dunkle Seite der Macht verschlagen?

Die Suche nach ihm setzt sich auf jeden Fall auch im Film fort, nachdem die einleitenden Sätze zur Musik von John Williams erstmals in 3D in die Weiten des Alls gezogen sind: Der Widerstand um Prinzessin Leia (Carrie Fisher) setzt seine Hoffnungen in ihn, den letzten Jedi-Ritter, der sich der Bedrohung durch die dunkle Seite der Macht entgegenstellen soll. Der Oberste Führer Snoke und der in Referenz an Darth Vader schwarz maskierte Kylo Ren wollen mit ihrer "Ersten Ordnung", dem Nachfolger des Imperiums, die Republik zerstören.

Mit dem dazugehörigen Drehbuch und der ganzen Fortsetzung hat George Lucas nichts mehr zu tun. Vor ein paar Jahren zog er sich endgültig zurück und wollte nach der viel gescholtenen, vor zehn Jahren vollendeten Trilogie mit Episode 1 bis 3 keine weiteren "Star Wars"-Filme drehen. Stattdessen verkaufte er die Rechte an den Disney-Konzern, der eine hervorragende Crew für "Das Erwachen der Macht" gewinnen konnte: Lawrence Kasdan etwa, der einst die Drehbücher zu "Das Imperium schlägt zurück" und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" co-schrieb, verfasste hier das Skript – zusammen mit Regisseur J.J. Abrams. Der kreierte einst das TV-Puzzle "Lost" und hauchte im Kino etwa neues Leben in ein anderes Mega-Sci-Fi-Franchise: "Star Trek". "Das Erwachen der Macht" ist nun bei ihm ebenfalls besten Händen.

Das liegt auch daran, wie er mit Lucas‘ Erbe umgeht. Er holt die Vergangenheit mit Rückgriffen, Anspielungen und Figuren der Ur-Trilogie zurück auf die Leinwand. Dabei ist natürlich die Neugier auf diese alten Helden besonders groß. Allein noch einmal zu sehen, wie der inzwischen 73-jährige Harrison Ford als Han Solo mit altersloser Schlitzohrigkeit und dem ebenfalls teils ergrauten Chewbacca in seinen Falken steigt, bringt Fan-Herzen auf stark erhöhte Frequenz.

Und wie er Jahrzehnte später Prinzessin Leia in die Arme schließt, ist erwartungsgemäß rührig. Gleichsam schaffen es die Macher, neue Figuren zu etablieren – vom rollenden BB-8, einem sehr herzigen Robotersidekick, bis zu den jungen Gesichtern, die die grundlegenden Konflikte und Kämpfe (aus-)tragen. Die Neuentdeckung Daisy Ridley etwa, die sich als Raumschiff-Schrottsammlerin durchs Leben schlägt, aber zu wesentlich Höherem berufen scheint. John Boyega, der sich als Sturmtruppen-Deserteur Finn plötzlich beim Widerstand wiederfindet. Und Adam Driver ("Girls"), der hier auf starke Weise in ziemlich mächtige Fußstapfen tritt.     

Die Geschichte variiert dabei auf so unterhaltsame wie zunehmend spannendere Weise die ewigen Themen der Sci-Fi-Reihe: der ewige Gut-gegen-Böse-Kampf und die Vereinnahmung durch die dunkle Seite der Macht, die zu innerer Zerrissenheit und einem unerwarteten Vater-Sohn-Konflikt führt, der hier auf einen wirklich emotionalen, tragischen Höhepunkt zuläuft. Nicht nur die Bilder aus der Wüste, dem Eis und den Weiten des Alls sind dabei entsprechend groß. Auch die Spezialeffekte in den Verfolgungsjagden, Kämpfen und Laser-Schießereien sind erwartungsgemäß makellos. Allerdings sind sie Abrams nie wichtiger als die Geschichte und die Charaktere, auch wenn die interessante Ambivalenz einer Figur wie des Deserteurs Finn nicht wirklich tiefer ausgelotet wird.

Dem Regisseur gelingt so das Kunststück, den Fans der ersten Stunde dieses alte "Star Wars"-Gefühl zu erzeugen und die Saga trotzdem in die Zukunft zu manövrieren. Nachdem die Merchandising-Macht schon seit der Übernahme mit Disney ist und die Milliarden durch diese erfolgreichste Kino-Serie aller Zeiten weiter sprudeln lässt, kommt jetzt endlich der Film dazu, der trotz der immensen Erwartungen keine Enttäuschung geworden ist – sondern ziemlich gut. Nur was mit Luke Skywalker passiert ist und welche Überraschungen es noch gibt, wird auch hier nicht verraten. Dieses Gefühl, das einen wahnsinnig macht, kann ruhig noch bis zum Kinobesuch anhalten.

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