Streithansel, Übeltäter und Unglücksraben
15.2.2017, 10:20 UhrSie haben uns ein halbes Leben lang begleitet: die Gerichtsglossen des Nürnberger Journalisten Klaus Schamberger, auf die wir uns jeden Montagmorgen in der Abendzeitung stürzten, weil in ihnen mit selten praller Lebensfreude über die meist kleinen und unscheinbaren Miseren des ganz normalen Alltags berichtet wurde. Hier wurde den Angeklagten – meist nicht mehr als unglückliche Zufallstäter und Dummheitsopfer wie Du und ich – so liebevoll aufs Maul geschaut, das sie sich verteidigend und in schönstem Breit-und Spreizfränkisch wund redeten, dass es uns mit jeder noch so obskuren Halbwelt versöhnte.
Schamberger war es ja stets egal, was vor großen Schwur- und Schöffengerichten zur Verhandlung kam, ihn interessierten keine Mörder und sonstwie ruchlose Verbrecher. Er wollte auch keine Höchststrafen verkünden und wortstark plädierende Anwälte fielen ihm nur auf, wenn sie Unsinn redeten. Er war der klassische Gerichtsreporter, der sich in die alltäglichen kleinen Verhandlungen setzte, um den Zustand der Gesellschaft auszuloten.
Meist war der Anlass für die Aufregung lächerlich, die Sache an sich eine Bagatelle, durch Schambergers Gabe, die Gemüter aller Beteiligten zu durchschauen und ihre Schrullen und Aufgeregtheiten heiter ernst zu nehmen, gerieten die Verhandlungen in den kleineren Zimmern der Amtsgerichte freilich zum Welttheater. Überhaupt war es stets das Theatralische, das diese journalistischen Kabinettstücke auszeichnete: die ganze Welt ist eine Bühne und im Gerichtssaal geht der Vorhang niemals richtig zu.
Die Mischung aus hochsprachlicher Schilderung und dialektsatten Dialogen bewirkte, dass sich von diesen Glossen jeder, der des Fränkischen mächtig ist, angesprochen fühlte.
Wobei da schon eine leicht ungerechte Sympathieverteilung auszumachen war: Schamberger stand immer auf der Seite derjenigen, die ihre Schläbbern nicht halten können, sich um Kopf und Gänsgroogn redeten und am Ende noch für ihren mund-unartigen Einsatz mit einer Ordnungsstrafe belegt wurden. Justitia ist halt eine blinde Dolln.
So bleibt der mittlerweile bald 75-Jährige (im März!) Nürnberger sich auch in den 60 neuen kleinen Stücken treu und führt ein Panoptikum aus Unschuldslämmern und kleinen Missetätern vor, deren Gefährdungspotential erst bei über 0,8 Promille beginnt und die sich behaupten müssen in einem "Schweinauer Gaggerlaskrieg", Opfer eines "Kabudschino"-Attentats werden, "Eierschlachten" am Gartenzaun ausfechten, einen "brüllenden Pressack" abwehren müssen oder als "Müllwachtel" für Aufsehen sorgen.
Wir begegnen Heinzi, dem "verdreckten Ermittler", einem "frisch panierten Jogger" oder dem "Motorhaubentaucher" und überhaupt immer wieder Zeitgenossen, die wir zu kennen meinen. Wenn’s arg kommt sogar "laufenden Gartenteichen".
Klaus Schamberger: Ich bitte um Milde: 60 neue Gerichtsglossen. ars vivendi Verlag. 190 Seiten, 15 Euro. Erhältlich in den Geschäftsstellen dieser Zeitung.
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