Timm Ulrichs zeigt «Lieblingsstücke» in der Kunstgalerie Fürth

12.01.2008, 00:00 Uhr
Timm Ulrichs zeigt «Lieblingsstücke» in der Kunstgalerie Fürth

© Günter Distler

Auswahlkriterium des selbst ernannten «Totalkünstlers» waren «Lieblingsstücke», Arbeiten, für die Timm Ulrichs, wie er es selbst definiert, eine Liebe auf den ersten Blick empfunden habe, die aber auch dem zweiten und dritten Blick standhielten. Von Jahrgang 1942 bis Jahrgang 1968 reicht das in Fürth präsentierte Meisterschüler-Spektrum, es gibt Zeichnungen zu sehen, konzeptuelle Fotografie, Kleinstplastiken, Objektkunst, auch etwas Malerei und Videos. Von einer «bunten Mischung» spricht Ulrichs - was eigentlich viel zu salopp klingt. Denn jede der ausgewählten Arbeiten ist auf ihre Art spannend und faszinierend.

Auffällig an den Lieblingsstücken ist das Faible fürs Kleine, das sich nicht aufbläst, um Bedeutung zu suggerieren, sondern mit einfachen Mitteln neue Perspektiven eröffnet. Poetisch und absurd zugleich sind die Miniatur-Weltmodelle von Martina Siefert, in denen sich der Mensch im Kreis dreht oder nur noch mit den Beinen aus dem Himmelsklotz heraushängt. Claudia Buchs «kondensierte Landschaften» sind malerische Imitate der Motive auf Dosenmilchdöschen, die sich, als Ölbild veredelt, umso mehr als Klischee offenbaren.

Egbert von der Mehr führt uns das Weltengetöse, das ganze Pandämonium der menschlichen Laster und Lüste in grandiosen, überquellenden «Wimmelbildern» vor Augen. Die Masse Mensch als irrsinniges Gedränge. Der bereits 1998 gestorbene Zeichner erweist sich hier als ebenbürtiger Nachfolger von Hieronymus Bosch.

Inhaltlich und formal ungemein beeindruckend sind die Mikroskopaufnahmen, die Franjo Tholen von den Kruzifixen gebrauchter Rosenkränze gemacht und als Schwarzweiß-Fotos vergrößert hat: Eine 20-teilige Serie mit dem Porträt Christi, abgriffen und verschlissen - ein erschütternd zutreffendes Sinnbild für den Zustand des Christentums im 21. Jahrhundert.

Wiebke Bartschs Figuren spiegeln - bitterbös zugespitzt - das eigene Leben als Frau und Mutter wider: Tableaus des täglichen Horrors, da liegt der Kopf schon mal abgerissen neben seiner Trägerin. Ursula Neugebauer, heute selbst Professorin in Berlin, «zeichnet» weibliche Akte aus ihrem eigenen Haar, und Joachim Schulz’ großformatiges Foto von einem Kinovorhang spielt gekonnt mit Erwartungshaltungen und ist von spannender Unmittelbarkeit.

Ulrichs selbst zeigt seine Videoarbeit «The End» und die Fotodokumentation seiner Aktion «kunstdiebstahl als total-kunst-demonstration» - zwei programmatische Arbeiten des Künstlers, der mit seiner Maxime, dass man das Leben zielstrebig in Kunst umsetzen muss, konsequent ernst gemacht hat. REGINA URBAN