Utopien für ein vom Krieg verletztes Land
10.9.2019, 19:14 UhrDie Situation der meisten Menschen vor Ort ist katastrophal, denn auch wenn der IS de facto ausgeschaltet ist, bekämpft das Asad-Regime seine Gegner weiter – und Opfer gibt es auch in der Zivilbevölkerung.
Die kleine Ausstellung "Sketch for Syria" (Skizze für Syrien) in der Nürnberger Kreisgalerie zeigt nun Ideen und hoffnungsvolle Utopien für das vom Krieg gebeutelte Land. Das ganz und gar der Zukunft zugewandte Projekt, das den Wiederaufbau Syriens im Blick hat, war 2017 bereits in opulenterem Format in Venedig zu sehen – maßgeblich iniziiert von der dortigen IUAV Universität für Architektur. Die hatte junge Architekten weltweit dazu aufgerufen, Szenarien für die Rekonstruktion des Landes zu entwerfen – nicht am Computer, sondern in einem der versendeten, klassischen Skizzenbücher.
Rund 150 Architekten, darunter viele Studenten, waren dem Aufruf gefolgt. Einsendungen kamen aus Ägypten und Chile, Deutschland, Italien, Jordanien, Spanien und Südafrika, Ungarn, Kanada und den USA, kurz: aus allen Ecken der Welt. Etwa 50 Skizzen stammen von syrischen Architekten, unter anderem aus Damaskus, Aleppo und Latakia.
In beeindruckender thematischer und stilistischer Vielfalt, den unterschiedlichsten Techniken, als Drucke oder Collagen, Zeichnungen oder Aquarelle, mal farbig, mal in Schwarzweiß, mal gegenständlich, mal eher abstrakt, mal mit, mal ohne Text stellten die Kreativen ihre Visionen von einer möglichen Zukunft Syriens dar. Sie machten imaginäre Reisen in eine Zeit nach dem Krieg, reflektierten aber auch die aktuelle Situation. So geht es in den Skizzen zwar mitunter um Leid, aber auch um Familie oder die Sehnsucht nach Ruhe, Unversehrtheit, Ordnung und Grün.
"Das ist keine Ausstellung gegen etwas, sondern für eine Utopie", sagt Michael Schmidt, auf dessen Initiative die Schau nach Nürnberg kam und der sie kuratierte. "Es geht nicht um die konkrete, reelle städtebauliche Planung vom Wiederaufbau, sondern um die Hoffnung auf den Wiederaufbau", ergänzt der in Saarbrücken lebende syrische Bildhauer und Performance-Künstler Bahzad Sulaiman, der das Ausstellungskonzept für Nürnberg erdachte.
Er flankiert die utopischen Architektur-Skizzen mit realen Aufnahmen aus dem kriegsversehrten Syrien und Fotografien des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Nürnberg. Die Stadt sei der richtige Ort für die Skizzen, sagt er. "Als Nürnberg zerstört wurde, war in Syrien alles gut, jetzt ist es umgekehrt.". Nürnberg konnte nach dem Krieg wieder aufgebaut werden und befasse sich mit seiner Vergangenheit. Das sei als Botschaft auch für Syrien wichtig. Die jeweiligen Kriegs-Situationen will der 28-Jährige nicht verglichen wissen. Er hofft vielmehr, dass die Nürnberger Besucher die Ausstellung durch die Fotografien "noch mehr fühlen" können.
Kreisgalerie Nürnberg, Kartäusergasse 14, bis 20. Oktober: Mi. 16–20, Do./Fr. 14–18, Sa. 11–15 Uhr. Begleitprogramm unter www.kreis-nuernberg.de
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