Verführung nach allen Regeln
8.10.2012, 06:24 UhrAlles so schön bunt hier: Regisseurin Heidemarie Gohde und ihr Ausstatter Jens Hübner haben die Bühne im Festzelt am Leinritt, hinter der der Fluss schwappt und sich die nächtlichen Lichter Bambergs zeigen, mit der Technicolor-Welt der 50er Jahre ausgestattet, mit viel Liebe zum Detail. Die Zeit, als die Deutschen das Land jenseits der Alpen endlich auch einmal ohne Uniform entdecken durften und das Bändigen von Spaghetti noch eine echte Aufgabe war. In Bamberg spielt sich Goldonis Klassiker ab, als sei’s ein Film mit Vico Torriani und wirkt ähnlich bezaubernd.
In diesem Ambiente funktioniert das Stück auf den Schlag von Anfang an. Zeitlich herangezoomt und doch nicht angestrengt auf Gegenwart getrimmt, wird die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert nah ans Publikum gebracht, das sich in dieser Inszenierung trotz nächtlicher Kälteschwaden ein bisschen fühlen darf wie im Urlaub.
Die Geschichte von der schönen Wirtin, der alle Männer verfallen, weil sie sämtliche Maßnahmen der Verführung trefflich einzusetzen und zu ihrem Vorteil zu nutzen weiß, ist im Kern zeitlos: Die Liebe ist ein Gefühl, das nur sehr am Rande etwas mit der Realität zu tun hat und sehr viel mehr mit Verstellung, Einbildung und glatter Lüge. Liebe ist Fantasie. Mirandolina weiß das, und weil der Cavaliere di Ripafrena sich keinen Deut um ihren Liebreiz schert und ein rechter Frauenhasser ist, will sie ihn nach allen Regeln der Kunst verführen.
Das gelingt, und der Cavaliere muss, nun selbst entbrannt, Buße tun dafür, dass er die Regeln nicht befolgt hat. Denn die zeitlos gültigen vertraglichen Regeln des sich Verliebens beinhalten den gegenseitigen Respekt vor bewusster Täuschung und der Produktion schönen Scheins.
Goldoni spielt nun diese Regeln in allen möglichen Kombinationen durch. Mit verknallten Gecken, armen Adligen, lebenslustigen Schauspielerinnen, leidendem Kellner — und in einer Geschwindigkeit, der die Spieler in Bamberg perfekt nachkommen.
Rauschende Lacher
Gohde und ihr Ensemble haben den Rhythmus der Vorlage bemerkenswert getroffen, spielen die ungewöhnliche Breite der Bühne geschickt aus und das Publikum oft direkt an. In der Enge des Zelts breitet sich so eine Intimität aus, die dem Stoff gut tut, und weil alle – Spieler wie Publikum – von Anfang an recht aufgedreht sind, rauschen die Lacher wie „La Ola“ durchs Fußballstadion.
Florian Walter als Cavaliere und Verena Ehrmann als Mirandolina sind die konzentrierten Zentralsterne dieser Inszenierung, in der sich Thomas Jutzler und Gerald Leiß ihre freund-feindschaftliche Eifersuchtsduelle liefern und Sybille Kreß und Aline Joers ganz wunderbar aufgekratzt die Schauspielerinnen Ortensia und Dejanira geben können. Und Patrick L. Schmitz als Kellner Fabrizio ist ein Schmacht-Wonneproppen vor dem Herrn: Sänge er im Winter, schmölze das Eis von der Regnitz.
Weitere Vorstellungen: 10. bis 14., 19. bis 21., und 24. bis 27. Oktober. Kartentelefon: 0951/873030.
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