Versailles auf Rädern

Stefan Ebenfeld

Julia Knöpfle-Richter

22.10.2024, 11:21 Uhr
Vergängliche Pracht. Die kunstvolle Gestaltung und viele unterschiedliche Materialien des Salonwagens Ludwig II. fordern Restaurierungsprofis heraus.

© Uwe Niklas Vergängliche Pracht. Die kunstvolle Gestaltung und viele unterschiedliche Materialien des Salonwagens Ludwig II. fordern Restaurierungsprofis heraus.

Wie im Märchen fühlen sich Museumsbesucherinnen und -besucher beim Anblick der zwei Eisenbahnwagen aus dem Hofzug Ludwigs II. Um die architektonischen Prachtstücke des Märchenkönigs zu bewundern, ist keine Reise ins Alpenvorland nötig, denn sie stehen im Herzen Nürnbergs in der Dauerausstellung des DB Museums.

Die meisten Eisenbahnen boten im 19. Jahrhundert drei oder vier Wagenklassen. Jeder durfte sie benutzen – wenn der Fahrschein bezahlt war. Insbesondere gekrönten Häuptern gefiel dies nicht so recht, weshalb es in vielen Ländern eigene Wagen oder Züge für höchste und allerhöchste Herrschaften gab. Eine solche Königsklasse stellten die Hofzüge der bayerischen Herrscher dar. Deren erste, in Nürnberg hergestellte Wagen rollten 1847 über die Schienen. Gut erkennbar an ihrer blauen Lackierung boten sie Exklusivität und feinsten Komfort. Doch alles lässt sich überbieten. Ludwig II., Experte für das Besondere, ließ bereits kurz nach seiner Thronbesteigung 1864 vorhandene Fahrzeuge umbauen und bestellte neue. Im Stil des französischen Absolutismus sollte ein Versailles auf Rädern entstehen.

Die Bewahrung des Salon- und des Terrassenwagens Ludwigs II. ist Aufgabe und Verpflichtung. Rund 70 Jahre nach der letzten Restaurierung mussten die Gesamtkunstwerke durch eine „Auffrischungskur" fit für die Zukunft gemacht werden. Damit dies so schonend wie möglich geschieht, war ein Team aus Restauratorinnen und Restauratoren mehrere Wochen lang im DB Museum tätig. Museumsgäste konnten ihnen bei ihrer Arbeit über die Schultern sehen und Fragen rund um die Restaurierung stellen.

Denn die Hofzugwagen sind auch für Fachleute eine Her­ausforderung: Es treffen viele Materialien aufeinander, die unterschiedlich altern und verschiedene Pflege- und Restaurierungsansprüche haben. So wies etwa das einst samtweiche, königliche Toilettensitzkissen aus Naturmaterialien Fraßspuren von Insekten und Schäden vom einfallenden Licht auf. Eine knifflige Angelegenheit für die Profis, denn der beige-grüne Farbton des Stoffes variierte je nach Bereich und Ausrichtung zum Fenster, was eine universell passende Ergänzung schwierig machte. Die schadhaften Stellen an den prunkvollen Polsterbezügen der Möbel mussten mit glänzender Seide unterlegt, die großflächigeren Ergänzungen mit feinem Seidengarn fixiert werden. Diese Techniken erfordern ein hohes Maß an Präzision und Wissen über historische Textilien, um mit kleinstmöglichen Eingriffen dauerhafte Ergebnisse zu erzielen.

Auch die Reinigung der Vergoldungen ist äußerst anspruchsvoll. Hierfür kam eine spezielle, aufgeschäumte Reinigungsmischung zum Einsatz. Nach der Einwirkzeit wurde der Schaum mit einem Spezialgerät vorsichtig abgesaugt. Damit keine Reste zurückbleiben, erfolgte eine Nachreinigung mit Pinsel und Ethanol. Der Material- und Aufgabenmix ist so vielfältig, dass unterschiedliche Spezialistinnen und Spezialisten für Holz, Textilien und Gemälde zum Einsatz kommen. Die Ausbildung von Restauratorinnen und Restauratoren ist entsprechend komplex, viele erlernen zuerst ein Handwerk und absolvieren anschließend ein Studium. Mit ruhiger Hand, viel Know-how und künstlerischem Geschick können sie dann Märchenhaftes bewahren.

https://www.dbmuseum.de

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