Vor der Premiere: West Side Story am Nürnberger Staatstheater
22.10.2019, 11:45 UhrDie US-amerikanische Choreografin und Regisseurin Melissa King hat Leonard Bernsteins "West Side Story" nicht nur in Bonn, bei den Festspielen in Bad Hersfeld, in Mannheim, Linz, St. Gallen oder im Amphitheater von Epidauros in Szene gesetzt, sondern als Anita während ihrer Bühnen-Karriere auch verkörpert.
Und in ihr kocht auch ein wenig jener Zorn, der die verfeindeten Gangs der Jets und Sharks antreibt: "Der Rassismus, der gerade in unserer US-Gesellschaft, aber auch anderswo wieder ungehemmt aufkeimt, macht mich rasend." Welche Rolle King dabei dem amtierenden US-Präsidenten zumisst, deutet die Regisseurin, die einst an der Elite-Universität Yale Politologie studierte, dabei zwar nur mimisch, aber unzweideutig an. . .
Weil das Thema Hass und Hass-Sprache so eine aktuelle Brisanz hat, verlegt sie den Klassiker das erste Mal auch von den Fünfziger Jahren in die unmittelbare Gegenwart. Insofern dürfte die Optik durchaus eine andere sein, als in ihren vorigen Nürnberger Produktion "Singin‘ in the Rain" und "Catch me if you can" (Bühnenbild: Knutz Hetzer). Sprachlich geht man einen Kompromiss ein: Gesungen wird Englisch, die Dialoge finden auf Deutsch statt.
Apropos gesungen: Die beiden Hauptfiguren Maria und Tony werden von zwei ausgewachsenen Operndarstellern verkörpert. Ein Problem für King? "In diesem Fall überhaupt nicht. Natürlich bin ich dem Ideal verpflichtet, dass Musical-Akteure gleich gut singen, spielen und tanzen sollten. Aber mit Andromahi Raptis und Hans Kittelmann haben wir hier zwei Sänger am Start, die sich wunderbar darauf verstehen." Ein Gastspiel auf der Opernhaus-Bühne wird Kammerschauspieler Jochen Kuhl geben als für die rebellierende Jugend verständnisvoller Inhaber von "Doc’s Drugstore". Ansonsten konnte sich King einen eigenen Cast zusammenstellen.
Die Qualität der "West Side Story" ist unbestritten. Aber Melissa King wünscht den Theaterleitern doch etwas mehr Mut bei der Spielplan-Gestaltung. Immerhin konnte sie Bernsteins "Wonderfulk Town" letztes Jahr in der Wiener Volksoper machen oder zuletzt in St. Gallen den Kinoerfolg "Priscilla", das im Travestiemilieu spielt, für die Bühne einrichten. Für den starken instrumentalen Part sorgt die Staatsphilharmonie unter Leitung von Vize-GMD Lutz de Veer.
Aufführungen: 26., 28. und 31. Oktober, 10. und 17. November, 2., 6., 15., 23. und 31. Dezember. Karten: Tel. 09 11 / 2 16 27 77.
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