Vorurteile? Das war einmal!
18.4.2016, 10:00 Uhr„Natürlich hatten wir Vorurteile gegenüber den Gymnasiasten“, sagt Basti ganz offen. „Wir dachten zum Beispiel, die wären alle Streber, würden uns ständig beim Sprechen verbessern und sich bei den Lehrern einschleimen.“ Und für ausländerfeindlich hatte man sie auch gehalten, ergänzt Benny.
Am Ende waren die beiden Siebtklässler vom Förderzentrum am Jean-Paul-Platz aber überrascht, dass die Scharrer-Schüler nicht anders waren als ihre Mitschüler. „Sie sind nett, unterstützen uns, interessieren sich für dieselbe Musik, hängen auch ständig am Handy rum und sind nicht ausländerfeindlich“, sagt Basti.
Auch die Gymnasiasten mussten ihre Vorurteile über Bord werfen. „Förderschüler haben keine Disziplin und sind recht wild. Das dachten wir zumindest, bis wir sie kennenlernten“, erzählt Ben. „Aber dann wurden wir sehr nett willkommen geheißen. Ich hab mich sofort wohlgefühlt.“
Und Marie sagt: „Außerhalb des Unterrichts gibt es keine Unterschiede. Allerdings ist die Schüler-Lehrer-Beziehung an der Förderschule anders. Die Lehrer interessieren sich mehr für ihre Schüler, man lernt langsamer. Am Gym geht es nur ums Pauken.“
Dass die Förderschüler überhaupt mit den Gymnasiasten in Kontakt kamen, ist dem Zirkusprojekt zu verdanken, das Lehrerin Hella Kählig an das Förderzentrum geholt hat. In verschiedenen Workshops studierten die Förderschüler Kunststücke ein, die sie ihren Eltern und Geschwistern in einer Zirkusaufführung zeigten.
Trainer und Motivator
Unterstützt wurden die Förderschüler dabei von den Gymnasiasten, die an ihrer Schule auf den sozialen Zweig gehen und je eine Woche Praktikum am Förderzentrum machten. Neuntklässlerin Marie begleitete den Workshop Kugellaufen. Sie half den Schülern auf die Kugel und reichte ihnen zum Beispiel Tücher.
Ihr Mitschüler Ben unterstützte den Diabolo-Workshop. „Ich habe das schon mal hobbymäßig gemacht und konnte den Schülern ein paar Tricks zeigen“, erzählt der 15-Jährige. Und er war als Motivator gefragt: Wenn etwas nicht so klappte wie geplant, ermutigte Ben die frustrierten Zirkuslehrlinge.
Basti hat beim Zauberworkshop gelernt, wie man Sachen verschwinden lässt, und legte sich auch mal in die Schwertkiste. Ziemlich verrenken musste er sich dabei! Benny zog es aufs BMX-Rad: Er fuhr und zwei Mitschüler machten Kunststücke.
Während der fünf Projekttage haben sich die Schüler und die Praktikanten angefreundet, manche tauschten Handynummern aus und stehen noch heute in Kontakt. Marie erzählt, dass ihr ein junges Mädchen schreibt, das sie mittlerweile als Vertrauensperson sieht.
„Mir haben auch ein paar Grundschülerinnen die Nummer gegeben, die Jungs eher nicht“, erzählt Ben. Und Basti berichtet von Freundschaften über WhatsApp, die so entstanden sind.
Die Vorurteile vom Anfang haben alle über Bord geworfen. Darüber freut sich auch Lehrerin Hella Kählig: „Unsere Schüler sind immer der Meinung, dass sie nichts können. Aber sie wurden eines Besseren belehrt.“ Basti ergänzt: „Viele Schüler sind selbstbewusster und mutiger geworden, dazu hat auch die Akzeptanz der Gymnasiasten beigetragen.“
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