Muhr am See: Aus Kneipe wurde Flüchtlingsheim
29.12.2015, 09:33 UhrBis weit über die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinaus war die Gaststätte „Zum Mönchswald“ der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Altenmuhr, wie man im Muhrer Heimatbrief vom Mai 2012 nachlesen kann. Im April 1978 wurde das altehrwürdige Wirtshaus ein Raub der Flammen. An seiner Stelle baute der damalige Inhaber Otto Gentner Stallungen und Scheune zum heutigen Gasthaus aus. Nachdem der letzte Pächter vor rund zwei Jahren das Licht ausgemacht hatte, stand das Anwesen leer.
Doch immer noch scheinen Menschen darauf gewartet zu haben, dass die Wirtschaft wieder ihre Pforten öffnet. Kaum leuchtete in der Wirtsstube abends wieder Licht, klopften auch schon die ersten durstigen Mitbürger an, erzählt Frank Schuldenzucker, der Leiter des Bezzelhauses, und muss dabei immer noch ein bisschen schmunzeln. Daraufhin habe man ganz schnell das Gasthausschild abmontiert.
Ungemütlich und kahl
Betritt man heute die ehemalige Gaststube, zeugen nur noch der Ausschank sowie die Beleuchtung vom früheren Zweck des Raums. Längst wurden die Tische zu einem großen zusammengeschoben, an dem die elf Jugendlichen aus Pakistan und Afghanistan gemeinsam essen. In einer Nische steht ein Fernseher, doch richtig gemütlich ist anders. Es fehlen Sofas, die Wände sind kahl und die überall von der Decke hängenden, hässlichen Lampen machen es auch nicht besser. Das alles ist natürlich auch Frank Schuldenzucker bewusst. Sofas sollen im Januar kommen, erläutert er im Gespräch mit dem Altmühl-Boten, und das Lampenproblem ist ihm auch bewusst.
Zunächst einmal ist Schuldenzucker froh, mit der ehemaligen Gaststätte eine gute und funktionierende Lösung für die Gruppe Jugendlicher gefunden zu haben. Denn leicht war das nicht. Vieles, was dem Bezzelhaus im Rahmen der wochenlangen Suche angeboten wurde, war nach seinen Worten entweder nicht geeignet oder zum Teil auch schlicht überteuert.
Bereits seit Sommer sind die jungen Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 17 Jahren im Landkreis und werden von der Kinder- und Jugendhilfe Bezzelhaus betreut. Das ist für das Bezzelhaus auch keine neue Situation, bereits unter Manfred Lutz gab es eine Wohngruppe mit minderjährigen Asylbewerbern. Allein es fehlte an Räumlichkeiten, das Gebäude in der Rot-Kreuz-Straße ist längst zum Schülerwohnheim umfunktioniert. Dort waren die Kinder zunächst während der Ferien untergebracht, im September zogen sie nach Solnhofen in eine leerstehende Pension um. Seitdem suchte Schuldenzucker nach geeigneten Räumen. Vom Landratsamt kam schließlich der entscheidende Tipp. Die Behörde hatte den ehemaligen Gasthof in Stadeln mit seinen Gästezimmern selbst kurzfristig als Unterkunft für Asylsuchende in Erwägung gezogen. Die Räume mussten ein bisschen umgebaut werden, es wurde ein Büro und ein Lernzimmer eingerichtet. Viel zu tun gab es in der Küche. Die war in keinem allzu erbaulichen Zustand, erinnert sich Schuldenzucker.
Der Küche kommt aber eine zentrale Rolle zu, denn wenn die Jungs aus der Schule kommen, wird erst einmal gemeinsam mit einer Betreuerin gekocht. Man merkt es nicht allen Jugendlichen an, es gibt, wie in jeder Gruppe, ein paar Spaßmacher und ein paar stillere Jungs. Doch viele sind durch den Krieg in ihren Heimatländern und die Flucht traumatisiert. Die einzige Verbindung zu ihrer Familie zu Hause sind Handys und Smartphones, die für die jugendlichen Flüchtlinge deshalb noch einen viel höheren Stellenwert haben.
Dennoch versuchen sie, in Deutschland so etwas wie ein normales Leben zu führen. Die ganze Gruppe besucht die Integrationsklasse der Gunzenhäuser Berufsschule, die Jungs sind ganz begierig, Deutsch zu lernen und fit für einen Arbeitsplatz zu werden. Entsprechend wird an den Nachmittagen weiter Deutsch gepaukt. Abends stehen Spiele, Kickern oder Fernsehen auf dem Programm.
Helferkreis gegründet
Mit den Jugendlichen hat sich die Zahl der Flüchtlinge in Muhr am See verdoppelt, mittlerweile leben 22 Asylsuchende in der Gemeinde. Längst hat sich auch in Muhr, berichtet Bürgermeister Dieter Rampe, ein Helferkreis gegründet, Ansprechpartner sind Helga und Herbert Lachenmeier. Gezielte Sachspenden, wie etwa die sieben Fahrräder, sind sehr willkommen, berichtet Schuldenzucker. Hier stehe man auch in gutem Kontakt mit der Gemeinde und dem Helferkreis. Ansonsten werden die Jugendlichen vom Bezzelhaus rund um die Uhr betreut. „Wir kümmern uns um die Jugendlichen“, so Schuldenzucker.
Eines aber kann das Bezzelhaus nicht leisten, weiß der Leiter der Jugendhilfeeinrichtung: die Jugendlichen ins örtliche Leben einzubinden. Hier sind vor allem die Vereine gefragt. Ob Feuerwehr oder Sportverein, wenn die Jugendlichen hier mitmachen können, ist das ein ganz entscheidender Schritt auf dem Weg in die hiesige Gesellschaft.
Deshalb freut es Schuldenzucker auch so, dass bereits ein paar Jugendliche im Muhrer Sportverein Fußball spielen. Denn gemeinsam Sport zu treiben, stimmt auch Rampe zu, ist einfach „die beste Integration“.