Auch Klinikum Neumarkt sucht händeringend Pflegekräfte

Nicolas Damm

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2.7.2017, 06:00 Uhr
Auch Klinikum Neumarkt sucht händeringend Pflegekräfte

© F.: Damm

Seit vielen Jahren gehen Szenarien einer kollabierenden Pflegebranche durch die Medien. "Die Pflege geht am Stock", diese These stellte dann auch Moderatorin Marianna Hanke-Ebersoll zu Beginn der Podiumsdiskussion im Ostflügel des Maybach-Museums auf.

Den Ausführungen von Bernhard Krautz zufolge geht die Pflege aber nicht mehr am Stock, sondern ist inzwischen schon bettlägerig. "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern deutlich nach zwölf", versicherte der Pflegedienstleiter am Klinikum Neumarkt. "Wir müssen einzelne Bettenbereiche schon zusperren, weil wir sie aus Personalmangel nicht mehr betreiben können."

Stellen bleiben unbesetzt, weil sich keiner/keine darauf bewirbt. "Der Markt ist leergefegt", sagte Krautz. In der Folge ächzten die Pflegekräfte unter der enormen Arbeitsbelastung, häuften hunderte Überstunden an. "Den ganzen Tag nur Mangelverwaltung und Löcherstopfen. Es muss sich schnell was ändern, sonst fahren wir unsere ganze Gesundheitsversorgung an die Wand", warnte der Pflegedienstleiter.

"Alarmierende Zustände" konstatierte auch Michael Bossle, Professor für Pflegepädagogik an der TH Deggendorf. Die Gründe, weshalb die durchschnittliche Verweildauer in Pflegeberufen heute bei nur vier bis fünf Jahren liege, gehörten endlich auf die politische Agenda, sagte der Pflegewissenschaftler. Auch wenn in der Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Gröhe mit den Pflegestärkungsgesetzen und in Kürze mit dem neuen Pflegeberufereformgesetz "bereits viel vorangebracht" worden sei.

Um sich mehr Gehör zu verschaffen, müssten sich aber auch die Pflegenden besser organisieren, meinte Bossle. "Dazu brauchen wir eine starke Vereinigung, eine echte Pflegekammer." Solch eine Pflegekammer wünscht sich auch Gesundheits- und Krankenpflegerin Gabriele Bayer aus Postbauer-Heng: "Am besten eine, in der die Pflegenden zu 100 Prozent organisiert sind."

Beruf muss attraktiver werden

Bayer saß als Vertreterin des Deutschen Verbandes für Pflegeberufe (DBfK) auf dem Podium. Sie rief dazu auf, die "systemrelevanten" Pflegeberufe "hochattraktiv" zu machen, um den starken Pflegekräftemangel zu begegnen. "Wenn die Babyboomer bald in die Rente gehen, wird sich das Problem noch verschärfen." Armutsfreie Löhne, sichere Dienstpläne und ein Gesundheitsschutz, der "zur Chefsache" gemacht werden müsse, standen bei Bayer ganz oben auf der Liste.

2. Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger erzählte aus ihrer Berufspraxis als Mitarbeiterin der Betreuungsstelle am Landratsamt. Sie brachte die Perspektive der Pflegebedürftigen in die Diskussion ein und lenkte den Blick auf die ambulante Pflege, da immer mehr alte Menschen möglichst lange im eigenen Zuhause bleiben möchten. "Das Pflegepersonal und die Führungen leisten bei uns wertvolle Arbeit", betont Heßlinger. "Was fehlt, ist die generelle Wertschätzung in der Gesellschaft." Was sich auch in den Löhnen widerspiegelt.

Der Ruf nach einer "angemessenen" Bezahlung ist dem CSU-Landtagsabgeordneten Harald Schwartz zu unkonkret. "Was bitte heißt angemessen genau?" Das stellvertretende Mitglied des Landesgesundheitsrates verteidigte die Politik: "Sie ist nicht blind, sie tut schon was." Fast alle Branchen klagten über Personalmangel, eine Folge der extrem niedrigen Arbeitslosenzahlen. Schwartz setzt Hoffnungen in die Neuregelung der Pflegeausbildung: "Dadurch wird ein größerer Interessentenkreis angesprochen."

MdL Karl Vetter sitzt für die Freien Wähler im Ausschuss für Gesundheit und Pflege des Landestages. "Je mehr Kräfte, desto besser das Behandlungsergebnis", sagte der Chamer. Im internationalen Vergleich sei hier Deutschland "weit hinten dran". Und auch die Rahmenbedingungen für die pflegenden Angehörigen müssten sich verbessern.

Im Anschluss debattierten die Pflegewissenschaftler und Leiter von Pflegeeinrichtungen im Publikum mit den sechs Referenten. Und auch die Altenpflege-Schüler der Neumarkter Berufsfachschule kamen zu Wort.

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