Auf der Jagd nach den sechs richtigen Zahlen
07.10.2005, 00:00 Uhr
Name und Standort haben sich in den letzten Jahren zwar geändert, doch „Lotto Bauer“ gibt es schon seit 1949. Damals gingen die Deutschen zunächst beim Fußballtoto auf die Jagd nach dem großen Geld. Sechs Jahre später kam Lotto hinzu. „Eine Mark war der Mindesteinsatz“, erinnert sich Erich Derer, dessen Schwiegermutter Berta Riedl das Geschäft, das sich zunächst im Durchgang des Rathauses befand, gegründet hatte. Heute ist man erst mit einem Euro dabei.
Köpfchen war nicht nur bei den Spielern gefragt, sondern auch bei den Annahmestellen. „Die Preise musste man alle im Kopf haben“, erzählt der 62-Jährige. Heute übernimmt das Rechnen der Computer, der die Spielquittungen umgehend ausspuckt.
Gang zum Bahnhof
Und auch die Schere hat in Sachen Lotto ausgedient. Mit ihr mussten nämlich die Scheine mit den aufgeklebten Einsatzmarken durchgeschnitten werden. Der eine Teil blieb beim Kunden, der andere in der Annahmestelle. Jeden Freitagabend wurden die Scheine zum Bahnhof gebracht, wo sie vom Expressdienst der Deutschen Bahn zuerst nach Regensburg in die Bezirksstelle der Familie Menzl zur Weiterverarbeitung gebracht wurden. Von dort aus ging die Reise weiter nach München zur Staatlichen Lotterieverwaltung.
Wie überall sei alles viel schneller und einfacher geworden, erzählt Elfriede Bauer. Ein leises Surren, und schon kommt die Quittung aus dem Terminal, die Daten werden sofort an die Münchener Zentrale übermittelt. Zum Bahnhof bringt die 47-Jährige die Scheine schon lange nicht mehr.
Seit 30 Jahren arbeitet sie in dem Geschäft mit, vor fünf Jahren hat sie die Regie übernommen, da ihre Schwiegermutter Annemarie Derer zu krank wurde, um weiterzumachen. Um die 1000 Spielaufträge kommen jede Woche herein. „Aber die meisten sagen, dass sie ja eh nichts gewinnen“, schmunzelt die Verkäuferin. Wenn trotzdem einmal drei Richtige dabei sind, ist die Freude aber umso größer.
Besonders hoch ist das Spielaufkommen, wenn ein dicker Jackpot wartet: „Dann spielen plötzlich auch Leute, die sich sonst gar nicht für Lotto interessieren.“ Ob allerdings einer der insgesamt 4700 Millionäre (1500 davon sind Euro-Millionäre), die Lotto bisher hervorgebracht hat, seine Zahlen in ihrer Annahmestelle getippt hat, weiß sie nicht. „Großgewinner wollen oft anonym bleiben und wenden sich direkt nach München“, erklärt Elfriede Bauer. „Theoretisch hätte aber schon ein Millionär dabei sein müssen, so lange wie es uns schon gibt.“
Auch Bezirksstellenleiter Hans Menzl, der die etwa 30 Annahmestellen in Neumarkt und im Landkreis betreut, wird nur per Fax über hohe Gewinnsummen informiert. In seiner eigenen Annahmestelle hatte er aber vor Jahren das Vergnügen, eine junge Studentin kurz vor Weihnachten über ihren Gewinn von fast 100 000 Mark zu informieren: „Das sind die schönsten Momente unseres Berufes.“
Aber ob Leute, die den ganzen Tag mit Lotto zu tun haben, selbst auch noch Lust aufs Spielen haben? Erich Derer reißt die Augen auf. „Na und wie“, bekennt er. Auch seine Schwiegertochter ist jede Woche wieder im Lottofieber: „Man probiert es halt, es könnte ja doch sein, dass der Zufall es so will . . .“ Die Hoffnung stirbt offensichtlich auch bei den Lottoannahmestellen zuletzt. SUSANNE HELMER