Bistum beanstandet Norbert Winners Italien-Reisen
9.2.2019, 06:55 Uhr"Wenn der Brenner hinter ihm lag, dann war er ein anderer Mensch", berichtet ein Teilnehmer einer Reise, die der Münstergeistliche Norbert Winner nicht nur organisiert, sondern als Reiseleiter auch geführt hat. Immer ging es nach Italien, und der Domkapitular leitete die Gruppen geistreich, geschichtsbelesen und charmant. Viele buchten mehrmals, die Trips über die Alpen waren begehrt. Norbert Winner berichtet von langen Wartelisten.
"Als Reiseleiter nach Italien zu fahren — das ist für mich schon fast so etwas wie ein Hobby", diktierte Winner einem Reporter anlässlich seines 60. Geburtstages in den Block. Alles begann für den fließend italienisch sprechenden Geistlichen mit dem Studium in Rom. Damals hat er schon in der Heiligen Stadt als Fremdenführer gejobbt. Später als Pfarrer zog es ihn immer wieder mit Reisegruppen nach Italien: als Kaplan in der Neumarkter Hofkirche, als Pfarrer und Dekan in Hilpoltstein und als Pfarrer der Neumarkter Johannes-Gemeinde.
Irgendwann hat Norbert Winner aufgehört zu zählen: In über 30 Jahren waren es "mehrere Dutzend" solche Italienreisen. Doch in 2019 ist erst einmal Schluss. Es gibt einen Zusammenhang mit der Revision der Gemeinde von St. Johannes durch das Bistum. Den Bericht dazu mit diversen Beanstandungen halten Eichstätt und die Gemeinde trotz intensiver Nachfragen der Neumarkter Nachrichten unter Verschluss. Darin soll es ein Kapitel "Romreisen" geben. Und Norbert Winner selbst erklärte den NN, die Pfarrei sei "im Rahmen der Revision gehalten, solche Reisen nicht mehr zu veranstalten". Der Geistliche: "Es geht allein um den Umsatz, der steuerpflichtig wäre."
Norbert Staudt von der Bistums-Pressestelle erklärte dagegen nach Rücksprache mit der Revisionsabteilung der Diözese, ein "Verbot sei niemals ausgesprochen worden". Man habe lediglich angemerkt, dass solche Reisen "ordnungsgemäß durchzuführen" seien.
Nach einer Expertise eines Münchner Fachanwaltes — sie liegt den NN schriftlich vor — kann man bei den Italienreisen nicht von "ordnungsgemäß" sprechen. Der Jurist hat die Aktivitäten der Gemeinde St. Johannes unter die Lupe genommen und festgestellt: Der Geistliche und die Pfarrei haben im rechtlichen Sinn als Reiseveranstalter agiert und Pauschalreisen angeboten — was juristisch mit erheblichen Konsequenzen verbunden ist.
Bei der im Mai 2018 ausgeschriebenen Sizilien-Reise beispielsweise gibt es keinen externen Veranstalter. Für "Leitung und Organisation" zeichnet die Johannes-Gemeinde verantwortlich, was Pfarrer Winner generell überhaupt nicht bestreitet: "Die Pfarrei war der Veranstalter." Tatsächlich haben der Domkapitular und die Mitarbeiterinnen des Pfarrbüros die Reisen organisiert, Flüge gebucht, Reiseagenturen unter Vertrag genommen, mit dem Busunternehmen verhandelt, für Unterkünfte gesorgt — ein florierendes Reisebüro im Pfarramt am Münsterplatz. Das belegen schriftliche Dokumente, die den Neumarkter Nachrichten vorliegen.
Eine Privilegierung der Johannes-Gemeinde als "Gelegenheitsveranstalter" scheidet aus zwei Gründen aus.
Einmal kann von "gelegentlichen" Reisen allein mit Blick auf das vergangene Jahr keine Rede sein. Dies wäre laut EU-Bestimmungen bei zwei Reisen pro Jahr der Fall, während die Pfarrei allein 2018 insgesamt sechs Trips angeboten hat. Darunter waren eine zehntägige Flugreise nach Sizilien, zwei neun- und zehntägige "Wallfahrten" nach Rom und Assisi und eine Busreise nach Genua, Monaco und an die "Blumen-Riviera".
Zum anderen kann von einer Privilegierung wegen eines "begrenzten Personenkreises" keine Rede sein: Pfarrer Winner selbst erklärte im NN-Gespräch, nicht nur Gemeindemitglieder oder Katholiken seien mitgefahren, sondern auch außenstehende Personen "aus der Umgebung von Neumarkt". Allerdings will der Domkapitular mit all den Reisen nie einen Gewinn gemacht haben, sondern die Leistungen immer zum Selbstkostenpreis angeboten haben.
Genau genommen sind die Aussagen von Norbert Winner so zu deuten, dass es immer beim Versuch geblieben sei, die Reisen "punktgenau zu kalkulieren". Manchmal habe er selbst "ein paar hundert Euro draufgezahlt" — oder es seien 200 oder 300 Euro übrig geblieben. Und diesen kleine Gewinn habe man dann für das Essen und die Getränke bei den sogenannten "Nachtreffen" der Reiseteilnehmer verwendet. Hinterher ist dies sicher weder für die Revisoren noch für Winner selbst nachvollziehbar. Die Recherchen der Neumarkter Nachrichten haben ergeben, dass Zahlungen der Reiseteilnehmer auf ein Privatkonto des Pfarrers bei der kirchlichen Liga-Bank in Regensburg geflossen sind ("Domkapitular Norbert Winner"). Von dort hat der Geistliche den NN-Recherchen und schriftlichen Nachweisen zufolge persönlich Reiseleistungen bezahlt.
Winner verheimlicht das gar nicht: "Das ist ein spezielles Konto auf meinen Namen, nicht der Kirchenstiftung und nicht der Pfarrei. Von dem Konto habe ich auch andere Zahlungen abgewickelt."
Der geistliche Reiseveranstalter hat für die Aktivitäten nach eigener Aussage kein Gewerbe angemeldet — und auch sonst gegen zentrale Normen der Touristikbranche verstoßen, wie die Expertise des Reiserechts-Fachmanns nachweist.
Wer als Reiseveranstalter Zahlungen von Teilnehmern ohne Insolvenzsicherung entgegen nimmt, handelt ordnungswidrig. Die mögliche Geldbuße: bis zu 30 000 Euro. Behördlicherseits hat dies laut Norbert Winner angeblich niemanden interessiert. Jedenfalls sei er nie wegen seiner Reiseaktivitäten von offizieller Seite belangt worden.
Auch in Italien blieb der deutsche Touristiker im Talar immer nach eigener Aussage unbehelligt: Wiederholt sei er dort zwar nach einer Zulassung als Fremdenführer gefragt worden. Mit dem Hinweis auf seinen Status als Priester sei das Thema aber immer erledigt gewesen.
Hierzulande unterliegen Reiseveranstalter im Interesse der Teilnehmer einer umfassenden Haftung — auch für Mängel und Schäden bei der Reise, die sie selbst gar nicht verschuldet haben. Weil das finanzielle Risiko erheblich ist, schließen Reiseveranstalter dafür eine spezielle Haftpflichtversicherung ab. Eine solche hatten Winner und die Pfarrei nicht. Der Geistliche hatte höheren Beistand: "Bei keiner Reise hat es irgendeine Forderung gegeben." Wäre ein Schaden entstanden, dann hätten die Gemeinde St. Johannes oder Winner selbst dafür geradestehen müssen.
"Aus steuerlicher Sicht müssen die Einnahmen aus den Reisen von der Pfarrei korrekt versteuert werden", urteilt der Rechtsgutachter. Und weil die "Pfarrei umsatzsteuerfrei" sei, habe man sich laut Norbert Winner nichts vorzuwerfen. Sein Steuerberater habe ihm immer erklärt: "Wenn alles dokumentiert ist, dann haben Sie kein Problem." Als besondere Referenz führt der Geistliche an, dass sogar Finanzbeamte aus Neumarkt an Italien-Reisen teilgenommen hätten.
Für den Inhaber eines Touristik-Unternehmens aus der Region gibt es keinen Zweifel: "Das war eindeutig Schwarz-Touristik, er hat sich da in einen Tabu-Bereich begeben." Und Norbert Winner will dieser Position gar nicht widersprechen: "Ich kann das gut nachvollziehen, dass dies aus der Sicht eines Reiseveranstalters als Konkurrenz angesehen wird." Allerdings sei das immer "wie ein Familienausflug" gewesen; die Teilnehmer hätten an "normalen" Reisen vermutlich nicht teilgenommen.
Herkömmliche touristische Maßstäbe hält Norbert Winner bei der Bewertung der Italienreisen der Johannes-Gemeinde ohnehin für verfehlt. Dies sei eine "Form der katholischen Erwachsenenbildung" gewesen, bei der es um "theologische, spirituelle und kirchliche Themen" gegangen sei. Und auch wenn er selbst als Italien-Reiseleiter nicht mehr aktiv werden darf, bietet das Dekanat Neumarkt im Spätsommer wieder eine Rom-Reise an. Reiseveranstalter ist allerdings das professionelle Bayerische Pilgerbüro. Und als Reiseleiter fungiert, praktisch als neuer Winner, der Dekanatsreferent Christian Schrödl.
Norbert Winner sieht sich indes nur in der Wartestellung: Eventuell ab 2020 werde er wieder Italien-Reisen organisieren und leiten — dann aber übers Pilgerbüro, einen Veranstalter oder ein Busunternehmen.
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