Die große Hysterie ist längst verraucht

05.01.2011, 22:59 Uhr
Die große Hysterie ist längst verraucht

© Fellner

Wer in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 2001 dabei war, der bekommt heute noch eine Gänsehaut, wenn er sich an das Geschehen erinnert. „Stamm und Miller – Bauernkiller“ stand auf den großen Transparenten, die durch die Nacht getragen wurden. Schweigend hatten sich die vielen, vielen Menschen auf den Weg gemacht, um ihren Zorn gegen das Geschehen auszudrücken.

Was war passiert? Bei einem Tier aus dem Stall des betroffenen Landwirts war bei der Untersuchung BSE diagnostiziert worden. In der Hysterie dieser Tage hieß das: Der gesamte Bestand muss gekeult werden. 63 Tiere waren das, darunter ein in dieser Nacht frisch geborenes Kalb; sie kamen in eine Tierkörperverwertungsanstalt. Getötet, zu Tiermehl verarbeitet, verbrannt. Das war ihr Schicksal. Der Landwirt, dessen Familie seit dem 16. Jahrhundert auf dem Hof arbeitete, zerbrach darüber, gab die Landwirtschaft auf.

Rund um den Abtransport kam es zu turbulenten Szenen, Schneebälle flogen, Silvesterkracher detonierten, die aufgebrachte Menge wollte die Tiertransporter nicht in den Hof fahren lassen. Ein größeres Aufgebot der Polizei stand für den Fall bereit, dass die Lage eskaliert – was letztlich nicht geschah. Die Bauern machten den Weg frei, damit das Drama endlich beendet werden konnte.

Fleischpreis im Keller

„Das war damals eine regelrechte Hysterie“, sagt Franz-Josef Poll vom Bauernverband in Neumarkt. Es habe keinen Niedergang der Rinderhaltung gegeben, aber ein massives Vermarktungsproblem. Dabei habe jeder gewusst, das BSE durch das Essen von Rindfleisch nicht übertragbar sei. Trotzdem stürzte der Preis in den Keller, erholte sich erst langsam wieder. Keiner habe mehr Rindfleisch gekauft. Poll: „Ich habe trotzdem Rindfleisch gegessen.“

Heute habe BSE keinen Markteinfluss mehr; die Fälle, in denen die Krankheit entdeckt werde, würden auch nicht mehr veröffentlicht.

Der Staat ist auch von der Bestandskeulung abgerückt. Heute trifft es nur noch die Kohorte, sprich, die engen Verwandten des erkrankten Tieres, sagt Angelika Regner-Hutter, Leiterin des Fachgebietes Veterinärwesen und Verbraucherschutz der Regierung der Oberpfalz.

Der Staat sei nach den ersten zehn Fällen auch schnell davon abgerückt, die betroffenen Bauern weiterhin namentlich zu nennen und so an den Pranger zu stellen. Regner-Hutter: „Es war schon bedrohlich, wenn man die Situation der Landwirte sah, in der diese sich befanden.“

Viel Hysterie hat auch sie ausgemacht seinerzeit und ist heute der Überzeugung, dass man sich objektiver mit dem Thema hätte auseinander setzen müssen. „Das war nicht mehr rational. Die Landwirte konnten doch auch nichts dafür.“

Im Jahre 2010 jedenfalls gab es in Bayern keinen Fall mehr, in dem ein Rind positiv auf BSE getestet worden wäre bei rund 250000 Schlachtungen. Gezahlt werden muss der Test bis heute vom Schlachter, der ihn auf den Preis umlegt.

Bedenklich: Derzeit wird bei der EU überlegt, das im Moment noch geltende generelle Verbot der Verfütterung von Tiermehl zu lockern. So soll für Schweine und Geflügel wieder Tiermehl als Nahrungsstoff erlaubt werden. Rinder sollen nicht damit gefüttert werden...