Eine Stadt zeigt Flagge
Impfpflicht-Gegner in Neumarkt von Gegen-Demo begrüßt: "Impfen ist Solidarität"
19.12.2021, 13:06 Uhr"Make love, not telegram", stand auf ihren Plakaten, oder "Impfen statt Schimpfen", oder "ein kleiner Pieks für den Arm, ein großer Schritt für Pflegekräfte und Ärzte". Der Tenor des Demonstrationszuges war eindeutig: Sie wollten Flagge bekennen gegen die Impfgegner, die nun schon zum dritten Mal in Folge durch die Jurastadt zogen. "Mitdenken statt querdenken", empfahl ein anderes Plakat.
Die Bürgerschaft kam
Die Neumarkter Bürgerschaft kam zusammen. Den Aufruf zur Demo hatte zwar Die Linke verfasst und da hätten sich wohl nicht so viele angeschlossen. Aber auch die Grünen positionierten sich positiv und so kam am Ende auch die CSU-Rathausfraktion mit Bürgermeister Markus Ochsenkühn und Fraktionsvorsitzendem Marco Gmelch, dazu die SPD mit Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger, dazu Stadträte von Grünen und Flitz. OB Thomas Thumann, der vor dem Wochenende einen Impfaufruf mit Landrat Willibald Gailler und den Bürgermeistern des Landkreises unterzeichnet hatte und eine Stellungnahme gegen jedweden Extremismus abgegeben hatte, fehlte.
"Wahrheit um die Ohren hauen"
"Die gewähren lassen geht nicht mehr", sagte Nina Winkler am Bahnhof, wo sich die Teilnehmer der Demonstration "Solidarität mit den Pflegekräften - Neumarkt lässt sich impfen!" versammelten. "Hauen wir ihnen die Wahrheit um die Ohren", sagte sie. "Information ist das Wichtigste." Man müsste die Leute abholen und mitnehmen, warb sie, "impfen ist Solidarität".
Die Gegner des Impfens, analysierte sie, hätten Angst. Angst sei eigentlich nichts Schlechtes, aber man dürfe sich nicht auf seiner Angst ausruhen, die Leute seien in ihrer Angst gefangen, "und das schlägt um in Hass". Dagegen müsse man etwas tun. Das beste Zeichen, wo die Mehrheit im Lande hinwolle, sei dieses: 1,5 Millionen Bürger hätten sich am Donnerstag impfen lassen, das sei doch ein klares Signal für die große Mehrheit in diesem Land.
Das geht nicht
"Mit Rechten demonstriert man nicht", sagte Grünen-Kreisrat Stefan Haas. Den Holocaust verharmlosen und sich angesichts sechs Millionen ermordeter Juden selbst zu solchen zu stilisieren, das gehe gar nicht, gab er den Impfgegnern mit auf den Weg, die da schon auf dem Rückmarsch zum Volksfestplatz waren.
Mit Geld alleine sei aber auch den Pflegerinnen und Pflegern nicht gedient, sagte er. "Im Gesundheitswesen darf nicht alles auf das Geld reduziert werden". Gehalt alleine sei nicht alles, es gehe auch um Wertschätzung und Achtung, um geregelte Arbeitszeiten und mehr.
"Wir sind die Mehrheit und lassen uns nicht unterkriegen von diesen Leuten", sagte Andre Madeisky: Leute, die aus eigenem Egoismus ins Krankenhaus kämen und dort anderen die Behandlungsplätze wegnähmen. Man dürfe auf solche Leute keine Rücksicht mehr nehmen, denn "die klauen den Pflegern die Zeit, die diese brauchen, und damit die Menschlichkeit". Man sei stolz auf die Pflegerinnen und Pfleger und die Arbeit, die diese leisten.
Nur gemeinsam aus der Krise
Den Pflegenotstand gebe es schon länger als die vergangenen eineinhalb Jahre während der Pandemie, sagte Philipp Schmidt, Stadtrat der Linken. "Wir kommen nur gemeinsam aus der Krise", warb er, man müsse ein Zeichen der Solidarität setzen, rief er den bereits abgezogenen Querdenkern hinterher. Durch die Pandemie seien die Missstände noch gravierender geworden. Sein Appell: "Profit-Denken hat in der Gesundheitspflege nichts verloren." Dafür gab es viel Applaus.
Den Impfgegnern hielt er vor: Wie könne man so herzlos sein, die eigenen Bedürfnisse über die aller anderen zu stellen, "da werden mit Parolen und Lügen völlig falsche Bilder verbreitet". Es sei unfassbar, wie durch das "sture Ignorieren von Fakten diese Menschen" die Gesellschaft in Geiselhaft nehmen und "ihre Bedürfnisse über die unseren stellen".
Was die Neumarkter Geschäftswelt von dem Aufzug hielt? Die Stimmung war im von der Pandemie sowieso gebeutelten Einzelhandel eindeutig. Am Oberen Markt waren so viele Parkplätze frei wie schon lange nicht mehr. Geschuldet der Demo der Impfpflicht-Gegner, die da vorher durchgezogen waren.
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Die Polizei, die mit vielen Kräften überaus umsichtig agierte, zog am Ende ein positives Fazit: Beide Demonstrationen seien friedlich verlaufen, auch das Abstandsgebot sei von den Impfpflicht-Gegnern weitgehend eingehalten worden. Wenn nicht, habe es entsprechende Hinweise gegeben. Die Teilnehmer des Aufzuges "Solidarität mit den Pflegekräften" trugen von vorneherein Masken. Am Volksfestplatz stellten Beamte beim Auflösen des Aufzuges fest, dass ein Teilnehmer eine Sturmhaube dabei hatte und Handschuhe mit Protektoren. Das stellt einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar.
Aktualisiert am Sonntag, 19. 12. 2021, 13:06 Uhr