In Neumarkt könnte bald Cannabis wachsen - ganz legal
16.4.2017, 09:16 UhrIm NN-Interview erklärte Bionorica-Chef Professor Dr. Michael A. Popp, dass sich sein Unternehmen an einer Ausschreibung beteiligen wird. Diese soll von der Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte durchgeführt werden. Damit sollen Hersteller gefunden werden, die den Anbau und die Ernte der Marihuana-Pflanze Cannabis im staatlichen Auftrag durchführen. Bionorica hat bisher keinen eigenen Anbau und bekommt sein Medizin-Cannabis aus einem Pflanzenzuchtbetrieb der österreichischen Kontrollbehörde.
Die Versorgung von Pharma-Herstellern mit dem schmerzlindernden Drogen-Kraut könnte zum Problem werden, denn seit dem 10. März hat der Bundesgesetzgeber die Verschreibung von Cannabis-Arzneimitteln erleichtert, so dass die Weichen für die Übernahme der Kosten gestellt sind. Die Medikamente werden unter anderem bei Multipler Sklerose, in der Palliativmedizin und gegen die Nebenwirkungen bei einer Krebs-Chemotherapie eingesetzt.
Fertigarznei nicht zugelassen
Bionorica hat bei der jüngsten Bilanzpressekonferenz über die Vermarktung eigener Produkte berichtet: Der Neumarkter Hersteller versorgt bisher Apotheken mit den Wirkstoffen Dronabinol und Cannabidiol, die die Pharmazeuten auf Betäubungsmittelrezept zu sogenannten Rezepturarzneimitteln in Form von Kapseln oder Tropfen verarbeiten.
Ein Fertigmedikament hat Bionorica auch schon entwickelt, doch das Unternehmen hat dafür noch keine Zulassung bekommen - aufgrund bürokratischer Hemmnisse: Die Pharmafirma hatte ihr Produkt im Rahmen einer Zulassungsstudie mit dem etablierten US-Präparat Marinol verglichen, weil ein zugelassenes Referenz-Mittel in Europa nicht existiert. Doch der Vergleich mit der amerikanischen Arznei sei nicht statthaft, habe laut Professor Popp die Zulassungsbehörde die Verweigerung der Erlaubnis begründet. Doch die Neumarkter möchten nun auf dem Klageweg doch Grünes Licht der Behörden für den Verkauf des Cannabis-Arzneimittels bekommen.
Nach der Jahrtausendwende hat Bionorica einen kleinen Familienbetrieb in Oberfranken übernommen, der den Wirkstoff Dronabinol aus Faserhanf hergestellt hat. Viele Jahre schrieb die Bionorica-Cannabis-Sparte rote Zahlen; die Forschung kostete Millionen. Im vergangenen Jahr nun hat das Neumarkter Unternehmen etwa fünf Millionen Euro und damit rund zwei Prozent des Umsatzes mit dem Nischenprodukt gemacht. Professor Popp hält Branchenschätzungen für übertrieben, wonach rund 800 000 Patienten in Deutschland für Cannabis-Arzneien in Frage kommen. Er rechnet mit etwa 100 000 Kranken als Zielgruppe.
"Nettes" Zusatzgeschäft
Bei gutem Geschäftsgang sei ein Umsatzanteil von sechs bis acht Prozent denkbar. Popp: "Das wäre ein nettes zusätzliches Geschäft, nach den vielen Jahren mit Verlusten sind wir froh, dass wir Deckungsbeiträge generieren und wieder in die Forschung investieren können." Vielleicht ist dies etwas tiefgestapelt, denn auch der Bionorica-Chef sieht die großen Anstrengungen von Wettbewerbern im In- und Ausland, auf dem Cannabis-Markt Fuß zu fassen.
Professor Popp beschreibt die Branchenstimmung: "Alle befinden sich im Goldrausch." Zum Beispiel die britische Firma GW Pharmaceuticals: Das Unternehmen hat bisher die Zulassung für ein einziges Präparat bekommen; der Börsenwert liegt bei etwa 2,5 Milliarden US-Dollar. Der Bionorica-Chef: "Die Börse und die Anleger sehen hier offenbar ein Riesenpotenzial." Das gilt auch für die US-Firma Insys Therapeutics.
Unabhängig von Umsatzzahlen hat Bionorica mit dem Thema Cannabis eine riesige Aufmerksamkeit erzeugt. Tagesspiegel, Frühstücksradio, Abendschau, zahlreiche Regionalzeitungen: Es vergeht kaum ein Tag, dass Popp nicht mindestens ein Interview zum Thema Cannabis geben muss. Das Medieninteresse ist immens. Positive Begleiterscheinung: Während die meisten das Mittel Sinupret so gut kennen wie Tempo oder Tesa, ist der Herstellername Bionorica bei weitem nicht so geläufig — und wird jetzt ständig in den Berichten über Cannabis-Arzneimittel genannt. Eine unbezahlbare Werbung.
Doch abgesehen von Reklame, Umsatz und Gewinn hat Popp auch etwas anderes im Sinn: "Am meisten freuen wir uns darüber, dass die Medikamente verordnet werden können und die Patienten die Lebensqualität bekommen, die sie sich erhoffen."
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