Leben mit einem besonderen Kind

11.5.2019, 10:25 Uhr
Leben mit einem besonderen Kind

Anschaulich beschreibt sie Situationen wie einen Ausflug. "Ich sitze in einem Ford Transit. Neben mir brummt Tina fast so laut wie der Motor. Wir sind acht Personen und ich sitze genau in der Mitte. Jan ist taubstumm, kann weder die Hupe eines anderen Autos wahrnehmen noch das Martinshorn eines Einsatzfahrzeuges hören. Jan ist der Fahrer. Es ist Sommer und alle haben gute Laune. Ich bin die einzige, die im landläufigen Sinne keinerlei geistige Beeinträchtigung hat. Aber das Kurioseste ist, ich fühle mich sauwohl."

Hätte jemand der Autorin vor 27 Jahren von einer solchen Ausflugs-gesellschaft erzählt, wäre sie nie-mals auf die Idee gekommen, dass sie einer der Fahrgäste sein könnte.

Weiter schildert May das Leben im Wohnheim, von stressigen Arztterminen aber auch von überraschenden Glücksmomenten: Sie ließ sich anstecken von der "authentischen Gelassenheit" einer Reittherapeutin und bricht eine Lanze für die Geschwister behinderter Kinder.

Sie gibt im Gespräch zu, dass es freilich peinlich ist, wenn Tina im Restaurant den Tisch abräumt oder sich beim Picknick vor Publikum auszieht. "Ganz sicher ist das Leben mit einem behinderten Kind ein Abenteuer. Schön ist es trotzdem."

In dem Buch erzählt oder verarbei-tet May das Leben mit ihrer 27-jährigen Tochter. Sie kam mit Down-Syndrom und Autismus zur Welt. "Als Tina in meine heile Welt kam, hätte ich als unerfahrene Mutter eines besonderen Kindes gerne über die Themen gelesen, die mein Buch aufgreift: Sexualität, Werkstätten für Behinderte, Lebenshilfe. Es hätte mich getröstet, wenn ich erfahren hätte, dass das Leben munter weitergeht, dass man sich mit einem besonderen Kind nicht verstecken muss, dass man aber auch nicht so tun muss, als wäre alles eitel Freud und Sonnenschein. Ich hätte so ein Buch damals verschlungen."

HELMUT STURM

 

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