Neumarkter Schwebebahn von Bögl geht in China in Betrieb
1.4.2019, 13:17 UhrDer Platz auf den Straßen reiche nicht mehr aus, sagte Stefan Bögl, die Folge sei täglicher Stau. Der Trend sei weltweit so, die Städte würden weiter wachsen. Lebten 2014 3,9 Milliarden der Menschen in Städten, sollen es 2050 bereits 6,3 Milliarden sein. Hier setze das Transportsystem Bögl (TSB) an: Damit könnten deutlich mehr Menschen als auf der Autobahn oder in der Straßenbahn transportiert werden, aber weniger als in der U-Bahn.
Es sei voll automatisiert, habe eine Steigfähigkeit von zehn Prozent, könne auf entsprechend langen Strecken sogar bis 150 bis 200 km/h beschleunigt werden. Die Strecke in Sengenthal sei derzeit 800 Meter lang.
Das TSB sei leise, sodass es in Städten mit seiner aufgeständerten Fahrbahn in andere Verkehrswege integriert werden können. Ein drei Meter breiter Mittelstreifen auf der Autobahn reiche da schon aus. Es fahre bei Eis und Schnee, im immer gleichen Tempo, stoße keine Schadstoffe aus, benötige keinen Fahrer, könne bei Bedarf also flexibel und in enger Taktung eingesetzt werden, sei dazu vibrationsarm. Die Schiene umgreife den Antrieb, es seien auch größere Radien möglich.
Die Kosten für das System TSB splitten sich auf in 70 Prozent für den Bau der Strecke, 15 Prozent kostet das Fahrzeug, 15 Prozent fallen für Energie und Fahrtechnik an. Bögl liefere alles aus einer Hand: Fahrzeug, Fahrbahn, Fahrtechnik. Wenn gewünscht, betreibe die Firma die Strecken auch. Die Bahn sei so gebaut, dass die Teile in einen 40-Fuß-Container passen und damit leicht transportierbar sind.
Günstiger als U-Bahn
Die durchschnittliche Streckenlänge veranschlagt man bei Bögl mit um die 50 Kilometer, angedacht sind Verlängerungen von U-Bahnstrecken beispielsweise. Das TSB sei in Randbereichen interessant, da wesentlich kostengünstiger als die U-Bahn. Und aufgeständerte Fahrbahnen – bis hin zu Autobahnen – gebe es weltweit. Pro Waggon finden 127 Personen Platz, die Höchstgeschwindigkeit liege bei 150 km/h. Der Radius einer Kurve könne bis auf 45 Meter heruntergebogen werden, da sei der Einsatz in Großstädten möglich.
Durch die Vollautomatisierung könne man das TSB mit einer Taktzeit von 80 Sekunden auf die Strecke schicken. Da brauche es keinen Fahrplan mehr, sagte Stefan Bögl. Die Fahrbahn finde sich in fünf bis sechs Metern Höhe. Auf der Teststrecke in Sengenthal habe die Bahn inzwischen 75 000 Kilometer verschleißfrei zurückgelegt. Ende des Jahres wird die Zulassung für Deutschland erwartet.
Schneller geht das in China. Mit einem Partner will Bögl dort eine erste Strecke aufbauen. Die ist 3,5 Kilometer lang, Fahrbahn und Fahrzeug sind schon verpackt, teilweise auch schon vor Ort in Chengdu beim Partner XinZhu Road & Bridges Machinery. Mit dem zusammen wolle man in China die ersten Bahnen bauen, das Interesse dafür sei da. Bögl: "Die Container sind schon über Neumarkt, Moskau, Kasachstan, also auf der Seidenstraße, nach Chengdu gerollt."
Zartere Fahrgäste
Die Streckenteile würden dort nun zusammengesetzt, die Bahn dann auf entlang dem Werksgelände aufgeständert. In China würden auch mehr Fahrgäste in die Wagen passen, sagte Bögl: Dort werde der Durschnittspassagier mit 60 statt 75 Kilogramm Gewicht angesetzt, auf den Quadratmeter dürften neun statt sechs Personen stehen. Der Saal lachte. Als Kosten rief Bögl für einen Doppelkilometer Strecke zwischen 20 und 50 Millionen Euro auf, inklusive Fahrzeugen und Bahnhöfen am Endpunkt. Die genauen Kosten hingen von der Streckenführung und dem Untergrund ab.
Ein Zuhörer wollte wissen, ob Bögl keine Angst habe, dass die Technik in China kopiert werde. Ausschließen lasse sich das nicht, sagte Stefan Bögl, aber man wolle dort so schnell bauen, dazu die Technik auch weiterentwickeln, dass kopierte Ware auf dem Markt keine Chance habe.
Ob denn die Mitglieder der Kreisverkehrswacht einmal mitfahren dürften, wollte deren Vorsitzender Hermann Pfeifer wissen. Klar, antwortete Stefan Bögl, das sei kein Thema. Worauf sich die Versammlung lachend für die Einladung nach Chengdu bedankte.
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