Ooouuuuh: Wer hat Angst vorm Wolf?

27.12.2016, 15:00 Uhr
Ooouuuuh: Wer hat Angst vorm Wolf?

© Foto: Colourbox

: Da konkurrieren Urängste und naive Tierliebe, Verallgemeinerungen und Filme aus dem Internet im Ringen um den angemessenen Umgang mit dem alten neuen Zuwanderer.

Bisher haben sich in den Wäldern im Landkreis noch keine Wölfe niedergelassen, doch ganz Bayern ist „Wolf-Erwartungsland“: Von Osten her gelangen junge Männchen auf Reviersuche auch bis in die Oberpfalz. Noch ist keiner hier sesshaft geworden, bisher gab es nur Durchzügler.

So braucht im Moment niemand, der in der Region Neumarkt im Wald unterwegs ist, Angst vor Raubtieren haben: Füchse, Wildkatzen und Greifvögel haben es auf andere Kaliber abgesehen.

Bedrohlicher Räuber

Das Gefühl, den Wald mit bedrohlicheren Räubern zu teilen, hat Werner Thumann, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Neumarkt und ausgebildeter Förster, ganz frisch präsent: Seit zwei Jahren baut er in Rumänien im Rahmen eines Projekts dort einen Landschaftspflegeverband nach hiesigem Vorbild mit auf.

In Rumänien leben Braunbären, und in dem Waldgebiet in den Karpaten, in dem er unterwegs war, sind rund 3 000 Bären zuhause. Auf den Wegen dort zu laufen ist etwas anderes als im Lengenbachtal.

Thumann hat Bärentrittsiegel gesehen, neben denen sich seine Hand klein ausmacht. Die Bären suchen im Winter ihre Nahrung auch in den Dörfern. „Dort haben die Leute Angst um ihre Kinder, es hat auch schon Todesfälle gegeben“, so Thumann weiter.

Tiere passen sich an

Er wird außerdem hellhörig, wenn es allgemeine Aussagen über das Verhalten einer Tierart gibt. Seiner Erfahrung nach gebe es eben auch im Tierreich Individuen, die anders handeln als es die Art gemeinhin tut. Und „Wildtiere passen sich an“, weiß er. Die Wildente sei ein Beispiel. Früher heftig bejagt, war sie sehr menschenscheu. Inzwischen suche sie oft die Nähe des Menschen.

Daher sieht er den Vormarsch des Wolfs mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei es immer auch ein „Grund zur Freude, wenn möglichst viele Wildtierarten wieder bei uns leben können, wenn sich Lebensräume so entwickeln, dass sie wieder geeigneter sind für mehr Wildtiere“, sagt er. Mit Bären oder Wölfen in so dicht besiedelten Gebieten wie hier sieht er aber Konflikte programmiert — denen gelte es zu begegnen.

Konflikte befürchtet auch Lothar Sagerer. Der Vorsitzende des Jagdschutzvereins Neumarkt hat große Bedenken, wenn ein großes Raubtier hier wieder heimisch wird. „Ich brauche den Wolf nicht“, sagt er. Hier gebe es viele kleine Ortschaften, viele Straßen, viel Bebauung — und reichlich Angriffsfläche für einen Räuber, der zwar am liebsten Rotwild frisst, aber auch Schafe, Ziegen, Pferde, Rinder und Lamas reißen kann.

Der Wolf steht unter Naturschutz, es ist also absolut verboten, ihn zu töten. Das findet Sagerer nicht in Ordnung. Wenn der Wolf bis hier vordringe, solle er unter Jagdrecht gestellt werden — „mit Schon- und Jagdzeit“.

Für den Wolf sei der Tisch hier reich gedeckt mit Weidetieren, die vorhandenen Zäune schützen kaum gegen Angriffe, meint er. Öko-Tierhaltung, bei der die Tiere artgerecht viel im Freien sein dürfen, werde dann schwieriger.

Sorge um Hunde

Und er macht sich Sorgen um seine Hunde: „Unser Garten geht bis zum Wald – die lasse ich im Sommer auch abends raus.“ Da wolle er sicher sein können, dass sie auch wieder zurückkommen. „Naturschützer, die in ihrer Stadtwohnung im dritten Stock das vom Sofa aus beobachten, bewerten das natürlich anders.“

Friederike und Horst Meyer halten in Brandenburg Schafe. Vor knapp sechs Jahren haben sie den ersten Wolf-Angriff in Deutschland mit vielen Opfern – insgesamt etwa 20 Schafe starben durch Kehlbiss – erlitten. Aber die beiden sehen den Wolf nicht als bösen Räuber, den es zu bekämpfen gilt.

Das Ehepaar mahnt zum sachlichen Umgang mit dem Thema: Es gelte zu akzeptieren, dass der Wolf ein geschütztes Raubtier sei. „Letztendlich sind wir der Meinung, der Mensch muss sich und seine Tiere schützen“, sagt Friederike Meyer, da dürfe man nicht den Wolf beschuldigen.

Die Meyers haben ihren Elektrozaun erneuert, höher ist er geworden und auch die unterste Litze steht nun unter Strom, damit Wölfe sich nicht unten durch buddeln können.

Wenn sie tagsüber allein durch den Wald geht oder radelt, hat Meyer keine Angst vor dem Wolf. „Der ist nachts unterwegs“, sagt sie. Begegnen möchte sie auch keinem ausgewachsenen Wildschwein, einer Bache mit Frischlingen etwa.

Über den Wolf „würde ich mich eher freuen als mir Sorgen zu machen“, sagt Förster Jürgen Wohlfarth aus Neumarkt. Dass sich hier im frei zugänglichen Waldgebiet ein Rudel niederlässt, glaubt er nicht, denn das brauche große zusammenhängende Flächen — Truppenübungsplätze seien geeignet. Der Luchs komme da eher in Frage, sagt er.

Dass der Wolf sich an Schafen und anderen Nutztieren schadlos halten werde, sei unumgänglich. „Das ist für den Wolf wie ein gut gefüllter Kühlschrank“, so sein Vergleich. Das müsse über Ausgleichszahlungen geregelt werden.

Ein Imageproblem

„Keine Panik“, gibt er als Motto aus. Als Mensch brauche man keine Angst zu haben. Er glaubt, der Wolf hat aus Märchen und Mythologie immer noch ein Imageproblem. „Man sollte es als Chance sehen, wenn es einer bedrohten Art wieder besser geht“, sagt Wohlfarth. Im Moment sei das größte Raubtier, die frei im Neumarkter Raum leben, die Wildkatze, hier im Bereich Dillberg.

Einen Überblick über die Wildtiere im Freistaat gibt das Wildtierportal Bayern: www.wildtierportal. bayern.de

1 Kommentar