Rauch, Ruhm und Räuber
10.9.2011, 00:00 UhrHubert Bösl ist sich der Zwiespältigkeit seines Jobs in solchen Momenten bewusst. Dass er beruflich von einer Katastrophe profitiert hat, bei der Tausende Menschen ihr Leben verloren haben.
Waren die Opfer im falschen Moment am falschen Ort, so war „ich damals zufällig im entscheidenden Moment am richtigen Ort und habe wahrscheinlich professionell reagiert“, sagt Bösl. „Jeder Fotograf hätte in der Situation ähnlich gehandelt.“ Unzählige New Yorker und Touristen hatten sicher auch ihre Kamera gezückt.
Durch alle Gazetten gingen Bösls Fotos, auch in der Tagesschau war es hinter dem Moderator zu sehen (ein ausführliche Bericht dazu stand gestern im Politikteil). Der Fotojournalist war damals in New York, um für die dpa Fotos von der Verleihung der MTV-Awards zu schießen, Popstars auf dem roten Teppich.
Am Morgen des 11. September befand er sich gerade in New Jersey, auf der anderen Seite des Hudson River, als die Flugzeuge im World Trade Center einschlugen. Vom Dach eines Hochhauses fotografierte er dann den Einsturz beider Türme. „Ich hatte das Glück, dass mein Internet über Kabel ging.“ Das New Yorker Telefonnetz war zu diesem Zeitpunkt bereits zusammengeborchen, so gingen Bösls Bilder mit als die ersten vom Anschlag rund um die Welt.
Zehn Jahre sind vergangen. Der Neumarkter fliegt noch immer im Agenturauftrag rund um die Welt, heute das Filmfest in Venedig, morgen Toronto. „Seitdem war ich zweimal zum Arbeiten in New York, aber nicht am Ground Zero.“ Viel gelernt habe er in dieser Zeit, sagt der Neumarkter: „Wie die weltweite Vermarktung von Fotos wirklich funktioniert. Und wie wenig das Copyright letztendlich Wert ist.“
Beispiel: 2003 hatte eine Regensburger Künstlerin sein Bild von der Skyline auf sechs Meter vergrößert und ein halbnacktes Pärchen davorgestellt. Ohne zu fragen, ohne auf Bösls Urheberschaft hinzuweisen. Das „Kunstwerk“ verursachte große Aufmerksamkeit in den deutschen Feuilletons, wird auch im Internet zum Kauf angeboten. „Kunst darf das“, sagten die Rechtsberater dem Fotografen.
Schikanen am Flughafen
Befremdet hat Bösl damals das Auftreten von „Katastrophen-Junkies“ unter den Presseleuten. Der bekannte Kriegsfotograf James Nachtwey hatte sich als Helfer verkleidet an Polizeikontrollen vorbei zum Ground Zero geschlichen und dort fotografiert. „Und das obwohl die Behörden das Gelände für jedermann weiträumig abgesperrt hatten.“ Nachtwey gewann dafür den Preis „Pressefoto des Jahres“, US-Präsident George Bush schüttelte ihm die Hand. „Bei Katastrophen gelten andere Gesetze.“
Schlimm findet Hubert Bösl auch, dass der 11. September für alles Mögliche missbraucht wurde: Gebühren-Erhöhungen, Flughafen-Schikanen bis hin zum Irak-Krieg. „Inzwischen muss ich auf dem Weg zum Flieger in die USA einmal öfter die Schuhe ausziehen, werde zusätzlich geröntgt und muss versichern, daß ich kein Messer bei mir trage. Sicherer fühle ich mich trotzdem in keiner Weise.“
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