Falsche Akzente, echte Lampions

Trotz Rassismus-Debatte: Chinesenfasching in Dietfurt "bleibt, wie er ist"

Anne-Sophie Reiß

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7.2.2024, 15:30 Uhr
Jedes Jahr zu Fasching wird Dietfurt zu einer Monarchie auf Zeit. Der chinesische Kaiser ist eine zentrale Figur des Umzugs.

© Günter Distler, NN Jedes Jahr zu Fasching wird Dietfurt zu einer Monarchie auf Zeit. Der chinesische Kaiser ist eine zentrale Figur des Umzugs.

In Dietfurt findet jedes Jahr am Unsinnigen Donnerstag der berühmte Chinesenfasching statt. Die Veranstaltung lockt jedes Mal Tausende Besucher in die Stadt. Die Feiernden tragen Masken und chinesische Kostüme, Festwagen mit Drachen ziehen durch die Straßen und der chinesische Kaiser höchstpersönlich fährt durch die Menge.

Doch nur eitel Sonnenschein ist der Faschingsumzug nicht. Immer wieder kommen Rassismusvorwürfe auf. So beschwerte sich eine Vertreterin des TikTok-Channels "willkommen_zuhause" bereits 2022 darüber, dass damit "weiße, rassistisch geprägte Fantasien als chinesisch" verkaufen würden. "Auch wenn es viele Teilnehmende nicht mit böser Absicht tun, sie verbreiten damit echt viele Stereotype, die gefährlich sind", sagt die TikTokerin.

Weiterhin erfahren Menschen asiatischer Herkunft Gewalt und Diskriminierung in Deutschland, wie die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet. Auch vor der Corona-Pandemie kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, wie 1992 bei Brandanschlägen auf Wohngebäude vietnamesischer Menschen. Vor diesem Hintergrund ist eine Verkleidung als "Chinese" problematisch. "Unsere Lebensrealität und Hautfarbe ist kein Kostüm, dass wir beliebig ablegen können", sagt die TikTokerin.

Gewachsene Tradition

Die Stadt Dietfurt verteidigt ihren Umzug vehement gegen rassistische Vorwürfe. "Wir sehen keinen Rassismus oder kulturelle Aneignung durch Yellow Facing", so Dietfurts Bürgermeister Bernd Mayr gegenüber unserer Redaktion. Damals, in den 1970er Jahren, sagt er, sei der Chinesenfasching noch anders zu bewerten gewesen, das habe sich aber geändert. Die Dietfurter hätten in diesem Jahr außerdem einen Teil des Häuserschmucks geändert. Dort würden nun Girlanden aus der chinesischen Stadt Najing hängen und "keine gelben Schilder wie früher". "Der Fasching bleibt so wie er ist", sagt Mayr.

Der Ursprung des Chinesenfaschings soll in einem mittelalterlichen Spitznamen der Dietfurter Stadtbewohner liegen. So soll der Eichstätter Fürstbischof einen Kämmerer nach Dietfurt geschickt haben, um fehlende Abgaben einzutreiben. Die Bewohner erfuhren von dem Vorhaben und schlossen die Stadttore. Der ausgesperrte Kämmerer kehrte unverrichteter Dinge zu seinem Herren zurück und berichtete, die Dietfurter hätten sich "wie Chinesen" hinter ihrer Mauer verschanzt. So kamen die Dietfurter zu dem Spitznamen der "Chinesen".

Nach dem Ersten Weltkrieg trat erstmals eine Blaskapelle, angelehnt an den Spitznamen, in chinesischen Kleidern auf einem Faschingsumzug auf. Nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs erinnerten sich der damalige Bürgermeister und sein Kämmerer an die Tradition und führten sie wieder ein. Seit dem ist der Dietfurter Chinesenfasching immer weiter gewachsen.

Das sagt das Konfuzius-Institut

Traditionell wird in Dietfurt nicht "Helau" oder "Alaaf" gerufen, sondern "Kille Wau". Der Ausruf hätte aber keine besondere Bedeutung. Mayr erklärt: "Es ist einfach ein Spruch. Vielleicht soll er ein bisschen chinesisch klingen." Es gebe den Ausruf seit dem Anfang des Dietfurter Chinesenfaschings.

Dietfurt verbindet seit 2012 eine Kulturpartnerschaft mit der chinesischen Stadt Nanjing. Dorthin finden regelmäßig Reisen zum kulturellen Austausch statt und auch die Lampions auf dem Umzug kämen aus der Partnerstadt, bestätigt das Amt für Tourismus und Kultur in Dietfurt. Auch der echte Generalkonsul der Volksrepublik China war bereits zu Besuch.

Das Konfuzius-Institut Erlangen-Nürnberg steht dem Chinesenfasching ebenfalls positiv gegenüber. Yan Xu-Lackner, Direktorin des Instituts, den Dietfurter Chinesenfasching als "Ehre für China und die Chinesen", da sich die Dietfurter mit der negativen Bezeichnung des bischhöfischen Kämmerers positiv identifizieren würden. Zahlreiche "echte" Chinesen würden gerne an dem Umzug teilnehmen.

Xu-Lackner zitiert einen User einer chinesischen Plattform: "In diesem Jahr bin ich extra nach Dietfurt gereist, um das Faschingsfest mit chinesischen Elementen zu erleben. Obwohl nicht gerade festzulegen ist, welche chinesische Elemente aus welcher Dynastie stammen, finde ich doch, dass es ist etwas Besonderes ist, diese Tradition weiterzugeben. Das Fest ist unter Chinesen immer bekannter geworden."

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