Verblümte Altlast im Stadtpark
2.11.2013, 07:00 UhrWäre er nur mal lieber Schweinehirte geworden, der Dietrich Eckart. Der Notarssohn hatte sich nach einem Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt als freier Schriftsteller und Journalist in seiner Heimatstadt Neumarkt niedergelassen, hielt es dort aber nur acht Jahre aus.
Die Leute in diesem „Provinznest“ konnten sich für seine völkischen Verse nicht recht erwärmen. Alles Ignoranten, ätzte er später, und: wenn er nicht kurz vor der Jahrhundertwende nach Berlin gegangen wäre, wäre er in Neumarkt übers Schweinehüten wohl kaum hinausgekommen.
So ging er denn, der Deutschnationale und glühende Antisemit, arbeitete für den „Völkischen Beobachter“ und holte in München den abgestürzten Hitler aus der Gosse. Seit’ an Seit’ marschierte mit seinem Schüler beim missglückten Putschversuch von 1923. Kurz vor Jahresende starb der Vordenker der NS-Bewegung, von Alkoholexzessen und Morphiumsucht gezeichnet, im Alter von 55 Jahren in Berchtesgaden.
Knapp zehn Jahre danach konstituiert sich in Neumarkt ein „Dietrich-Eckart-Denkmal-Verein“, Vorsitzender ist Walter Prebel. Der Verein stellt sich und seine Pläne erstmals am 1.Juli 1933 der Öffentlichkeit vor. Bei einem Festabend im „Deutschen Kaiser“, damals das Stammlokal der Neumarkter SA, hält Kunstmaler Albert Reich einen Lichtbildervortrag über seinen Kumpel Dietrich Eckart. Für diese Veranstaltung gilt selbstredend: „Juden kein Zutritt“.
Reich, ebenfalls gebürtiger Neumarkter, lebt seit 1919 bei München und ist Mitglied der NSDAP. Noch in der Versammlung verfassen die Teilnehmer ein Telegramm an Reichskanzler Adolf Hitler mit der Bitte, zur Denkmalsweihe im Herbst nach Neumarkt zu kommen.
Schon eine knappe Woche später trifft die Antwort ein, und die lässt die Herzen der Neumarkter – so oder so – höher schlagen: Der Reichskanzler ist „ausnahmsweise“ bereit, die Weihe des Denkmals für seinen väterlichen Freund Eckart selbst vorzunehmen.
Hektisches Treiben bestimmt die nächsten Wochen: In drei Güterwaggons wird das Material aus Steinbrüchen bei Treuchtlingen und Solnhofen herbeigeschafft, Spender für die Kosten in Höhe von 10000 Reichsmark gesucht. In der zweiten Julihälfte heben örtliche SA-Leute das Fundament im Stadtpark aus. Von der Weiherstraße her werden knapp 500 Eisenbahnschwellen hoch zur Schanze verlegt. Auf diesen sollen die schweren Steinteile bewegt werden.
„Schon der Transport des 259 Zentner schweren Hauptblocks zur Weiherstraße wurde zu einem Spektakel“, berichtet Stadtarchivar Frank Präger, der die Zeitungen jener Tage durchforstet hat. Mit Musik wurde der Quader durch die Stadt gezogen und in den folgenden Tagen mühsam die Anhöhe hinauf. Das Gelände vorm Denkmal wurde eingeebnet und dabei ein Gedenkstein der Freimaurerloge entfernt. Aufs Untere Tor wurde der berüchtigte „Bannerschwinger“ aufgemalt, im Postamt knallte der neue Poststempel auf die ausgehenden Briefe: Grüße aus der „Dietrich-Eckart-Stadt“. Die letzten Steine trafen im September ein, ebenso die beiden Reliefs und die drei Wasserspeier der Münchner Erzgießerei Brandstetter.
Die Einweihung am 29. Oktober mit Adolf Hitler (wir berichteten darüber am Dienstag) war nur die erste einer ganzen Reihe von Aufmärschen an der Weihestätte im Stadtpark. Elfeinhalb Jahre später war auch hier der braune Spuk vorbei: Die US-Besatzer schleiften Stein und Sockel. Ende der 80er Jahre wurde hinter dem Brunnenbecken ein neuer Stein mit einer neuen Plakette errichtet; nur zeigt diese nun den Pfalzgrafen Christoph, der von 1441 bis 1448 König von Schweden, Norwegen und Dänemark war.
Eine Gefahrenstelle
Einzige Hinweise auf die tiefbraune Vergangenheit des Platzes sind die regelmäßigen „Nazis raus“-Schmierereien auf dem Steinblock. Zuletzt war der Brunnen defekt, er ist seitdem mit einem Bauzaun abgeschirmt.
Damit kein Flaneur aus Versehen ins leere Becken stürzt, will es die Stadt nun bepflanzen, bis über eine künftige Gestaltung des Stadtparks entschieden ist. Stadtsprecher Franz Janka: „Die Begrünung soll im Zuge der Herbstbepflanzungen der Stadtgärtnerei ab etwa Mitte November erfolgen.“
Eine weit glorreichere Zukunft
war der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne in Berlin beschieden. Das bei Olympia 1936 eröffnete, pseudoantike Theater ist heute als „Waldbühne“ weltweit bekannt. Aber auch dort sind die Schatten des Dritten Reichs ganz nah: Gleich im Wald da-
hinter exekutierte die Wehrmacht 1944 mehr als 200 Deserteure.
Am Samstag, 9. November, um 11.30 Uhr hält der Neumarkter Historiker Ludwig Härteis beim Symposium „Nationalsozialismus in der Oberpfalz“ im Max-Reger-Gymnasium in Amberg den Vortrag „Dietrich Eckart – Neumarkts ,verlorener Sohn‘“.
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