Aufruf zur Impfung
"Wir fahren sehenden Auges an die Wand"
19.11.2021, 08:19 UhrDie stark ansteigende Zahl an Corona-Infektionen, die extrem angespannte Situation auf den Intensivstationen in der Oberpfalz und die erneute Ausrufung des Katastrophenfalls durch die bayerische Staatsregierung waren Themen einer Videokonferenz, zu der sich, auf Einladung von Regierungspräsident Axel Bartelt, die Landräte aller Landkreise und Vertreter der kreisfreien Städte in der Oberpfalz zusammengeschalten hatten. Einblicke zur aktuellen Lage in den Kliniken lieferten die ebenfalls teilnehmenden Ärztlichen Leiter für die Krankenhauskoordination in der Oberpfalz.
Über der Belastungsgrenze
Dabei erfuhren die Videokonferenz-Teilnehmer, dass das Klinik-Personal erneut an der Belastungs-Grenze oder zum Teil bereits darüber hinaus arbeite und sich zudem die Zahl der freien Intensivbetten stetig verringere. Von den in der Oberpfalz verfügbaren 291 Intensivbetten sind aktuell 260 belegt. Hierbei geht es nicht nur um Covid-19-Patienten, sondern auch um sonstige Notfälle wie Herzinfarkte, Unfälle etc.. Damit sind über 85 Prozent der verfügbaren Intensivbetten in der Oberpfalz belegt.
Bei den Teilnehmern der Videokonferenz bestand Einigkeit darüber, dass die aktuelle Situation es nun erforderlich macht, die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser durch Umplanung von medizinisch verschiebbaren Behandlungen zur Schaffung von zusätzlichen Behandlungskapazitäten für Covid-19-Patienten oder sonstigen Notfällen bzw. nicht verschiebbaren elektiven Eingriffen zu verpflichten. Dies ist auch in der kürzlich von den beiden bayerischen Ministerien des Inneren und für Gesundheit und Pflege erlassenen „Allgemeinverfügung zur Bewältigung erheblicher Patientenzahlen in Krankenhäusern“ geregelt.
Bescheid erlassen
Die Regierung der Oberpfalz wird deshalb nach Stufe 3a des Notfallplans zur Corona-Pandemie einen Bescheid dazu erlassen. Die Anordnung gilt für die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser in den drei Oberpfälzer Rettungszweckverbänden bis einschließlich 14. Januar 2022. Die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser im gesamten Regierungsbezirk sind dadurch verpflichtet, von sämtlichen unter medizinischen Aspekten aufschiebbaren stationären Behandlungen abzusehen. Die stationären Kapazitäten sollen für die Behandlung von Notfallpatienten, Covid-19-Patienten sowie Patienten, deren planbare Behandlungen aus medizinischen Gründen nicht verschoben werden können, reserviert werden.
Die Teilnehmer appellierten im Anschluss an die Konferenz gemeinsam an alle Nicht-Geimpften, sich jetzt dringendst impfen zu lassen, soweit gesundheitliche oder medizinische Gründe nicht dagegen sprechen. Nur so könne eine komplette Überlastung der Kliniken noch verhindert werden und das Gesundheitssystem der Oberpfalz funktionsfähig bleiben. „Das einzig wirksame Mittel, das wir im Moment haben, ist und bleibt die Corona-Schutzimpfung,“ so Regierungspräsident Bartelt.
Milde Verläufe
„Eine Impfung gegen das Corona-Virus schützt vor einem schweren Verlauf, auch wenn es trotz vollständigem Impfschutz gelegentlich zu Infektionen – sogenannten Impfdurchbrüchen – kommen kann. Diese verlaufen im Regelfall aber deutlich milder, als eine Covid-19-Infektion ohne Immunisierung.“ Die Oberpfälzer Covid-Intensivbetten sind fast ausnahmslos mit Ungeimpften belegt.
„Obwohl in den letzten Tagen ein deutlicher Anstieg bei den Impfungen auch in der Oberpfalz zu verzeichnen war, können wir mit unserer Impfquote von 66,9 % vollständig Geimpften bei weitem nicht zufrieden sein. Wenn wir uns insbesondere mit Portugal (86,6 %), Spanien (80,6 %), Italien (74,8 %) oder innerhalb Deutschlands mit dem Saarland (74,2 %) oder Nordrhein-Westfalen (71,1 %) vergleichen, dann ist diese niedrige Impfquote bei uns hier in Bayern und auch in der Oberpfalz unverständlich und nicht akzeptabel. Wir fahren hier sehenden Auges gegen die Wand, weil viele immer noch nicht den Ernst der Lage gesehen haben oder ihn nicht sehen wollen.“ Auch sprachen sich Regierungspräsident, Landräte und Oberbürgermeister einhellig dafür aus, dass die Auffrischungs- oder Booster-Impfungen forciert werden müssen, vor allem in Alters- und Pflegeheimen, da es auch hier teilweise wieder massive Corona-Ausbrüche gebe.
Auf Triage vorbereiten
Regierungspräsident Bartelt appellierte außerdem an alle Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten, sich vorsorglich auf Triage-Entscheidungen vorzubereiten, da demnächst der Zeitpunkt kommen werde, wo nicht mehr alle intensivpflichtigen Patienten auf den eigens dafür eingerichteten Intensivstationen behandelt werden können. Er verwies dabei insbesondere auf die Situation im österreichischen Bundesland Salzburg. Dort steht die Krankenhaus-Versorgung auf den Intensivstationen wegen der vielen schweren Corona-Fälle auf der Kippe und die dort bereits eingesetzte Triage-Kommission wohl bald darüber entscheiden werde, für welchen Patient noch ein Intensivbett zur Verfügung steht und für wen nicht.
"Unberechenbar und heimtückisch"
Die teilnehmenden Landräte und Oberbürgermeister waren ebenfalls mit dem Regierungspräsidenten der Auffassung, dass, um die vierte Welle zu brechen, alle Oberpfälzerinnen und Oberpfälzer aufgefordert seien, sich auch weiterhin an die allgemein bekannten Hygiene-Regeln zu halten, achtsam zu sein und insbesondere Abstand zu halten und unnötige Kontakte zu vermeiden. Das gelte sowohl für ungeimpfte als auch für geimpfte Menschen, da auch Geimpfte ohne erkennbare äußere Symptome das Virus weiterverbreiten können. „Dieses Virus ist unberechenbar und heimtückisch, und wir müssen gemeinsam alles versuchen seine weitere Verbreitung zu verhindern,“ so Bartelt.
An der Videokonferenz nahmen neben Regierungspräsident Bartelt, Amberg-Sulzbachs Landrat Richard Reisinger, Chams Landrat Franz Löffler, Neumarkts Landrat Willibald Gailler, Neustadt an der Waldnaabs Landrat Andreas Meier, Regensburgs Landrätin Tanja Schweiger, Schwandorfs Landrat Thomas Ebeling, Tirschenreuths Landrat Roland Grillmeier, Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny und Weidens Bürgermeister Reinhold Wildenauer teil.
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