75 Jahre Franz Beckenbauer: Was der Kaiser uns lehrte

Wer oder was ist eine "Lichtgestalt"? Eine "angesehene Person mit Vorbildfunktion beziehungsweise ein überragender kultureller Vertreter", sagt das Lexikon. "Franz Beckenbauer", sagen wir. Zu dessen 75sten haben wir die größten Weisheiten des Kaisers zusammengetragen. © Patrick Seeger (dpa)

"In einem Jahr hab ich mal 15 Monate durchgespielt"

Eine überdurchschnittlich hohe Arbeitsmoral kann aus dieser Aussage des Kaisers abgeleitet werden. Sie möge uns als Leitmaß dessen gelten, was mit genug Ehrgeiz möglich ist. Beckenbauer wusste schon als Jugendlicher, was er wollte: Mit 13 Jahren stand ihm die Tür zu 1860 München offen, doch das junge Talent ohrfeigte kurzerhand einen Spieler der Sechziger und ging zum FC Bayern. Selbstbestimmung par excellence. Ahnten das der Beamte Franz Senior und seine Frau Antonie schon, als der kleine Franz Anton am 11. September 1945 in Giesing das Licht der Welt erblickte? © AFP PHOTO

"Am Ergebnis wird sich nicht mehr viel ändern, außer es schießt einer ein Tor"

Bajuwarische Nüchternheit ist eine der vielen Tugenden, die Beckenbauer-Zitate so einprägsam machen. Hier lehrte er uns jene seltene Kunst der messerscharfen Analyse. Im gegnerischen Sechszehnner sah man ihn zwar selten, doch ab und an gönnte sich der Natural Born Libero auch mal ein Tor: Insgesamt 44 waren es in der Bundesliga, 14 Mal traf er für die DFB-Elf. © AFP

"Fußball ist kein Wunschkonzert"

Der Kaiser hatte schon sehr früh mit einer musikalischen Karriere geliebäugelt. Im August 1973 nahm die Nationalmannschaft - mit Beckenbauer (r.) als Bandleader - ihren 74er WM-Smash-Hit "Fußball ist unser Leben" auf. Künstlerisch war der Schunkelklassiker allerdings klar dem nachdenklichen 1966er Beckenbauer-Chanson "Gute Freunde kann niemand trennen" unterlegen. © dpa

"Johan war der bessere Spieler, aber ich bin Weltmeister"

Mit dieser formschönen Feststellung bewies uns der Kaiser, dass das Leben ein ständiges Geben und Nehmen ist. Tatsächlich machte Hollands Kicker-Legende Johan Cruyff im 74er WM-Finale gegen Beckenbauer die bessere Figur. Was Cruyff jedoch nicht bedachte, war das Lineker-Axiom: "Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen" (damals mit 2:1). © DB dpa

"Damals hat die halbe Nation hinter dem Fernseher gestanden“

Wieder ein philosophischer Lehrsatz, der vor allem auf der Meta-Ebene funktioniert. Denn er besagt, dass damals, beim siegreichen WM-Finale 1990, jeder zweite Bundesbürger Götzendienst geleistet hat: Statt hinter elf Menschen zu stehen (die, wie wir wissen, nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden), huldigten Millionen Menschen einem seelenlosen Fernsehgerät. Doch der Kaiser wäre nicht der Kaiser, wenn er nicht auch das Gute im Menschen erkennen würde: Die andere Hälfte der Nation muss infolgedessen vor dem Fernseher gestanden haben. Und erlebte wie Teamchef Beckenbauer, fortan als Spieler und Trainer weltmeisterlich, selig über den römischen Rasen schlenderte. © Wolfgang Eilmes (dpa)

"Die Schweden sind keine Holländer"

Mit jener so gewagten wie wahrhaftigen These (Geographen und Soziologen haben sie mit empirischen Daten mittlerweile bestätigt) festigte der Teamchef 1990 zudem seinen Ruf als Universalgenie. Im Erdkunde-Unterricht stand sie spätestens von da an im Lehrplan. Spötter behaupteten stets, Beckenbauer habe seine zweideutige Äußerung auf fußballerische Spielweisen bezogen. Sei es, wie es mag: Des Kaisers Entdeckung stimmt in beiden Fällen. © Kai-Uwe Wärner

"Der Liebe Gott freut sich über jedes Kind"

...und fünf davon gehen auf des Kaisers Konto. Sie stammen aus verschiedenen Ehen oder abseits davon. Das macht die erhabene Lichtgestalt menschlich, außerdem zeigt seine Aussage, dass man auch persönliche Verfehlungen sportlich-humorvoll nehmen kann. Seit 2006 ist er in dritter Ehe mit Heidi (Bild) verheiratet. Sein Sohn Stephan, ebenfalls als Fussballspieler und -trainer tätig, starb im Juli 2015 mit nur 46 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors. © dpa

"Ich habe mal einen Stammbaum machen lassen. Die Wurzeln der Beckenbauers liegen in Franken"

Im Herzen also ein Franke? Darauf bezog sich die Aussage von Frank Beckenbauer nicht, denn sie geht wie folgt weiter: "Das waren lustige Familien, allas uneheliche Kinder. Wir sind dabei geblieben". Liegt also alles im Stammbaum festgeschrieben. © Andreas Gebert

"Da hat der Riese gegen den Goliath gespielt"

Die Vermutung, dass diese Kaiser-Weisheit mitnichten einen Widerspruch in sich birgt, ist absolut gerechtfertigt - weil so ziemlich alles, was die Lichtgestalt anfasst, zu Gold wird und sich selbst die mächtige FIFA seinem Willen beugte. Ohne ihn hätte es Sommermärchen 2006 so nicht gegeben, ja, tatsächlich hat wohl er allein die WM nach Deutschland geholt. Knapp war es dennoch: In der dritten Abstimmungsrunde setzte sich die Bundesrepublik mit 12:11 Stimmen gegen Südafrika durch. © Bernd Weissbrod/Archiv (dpa)

"Ich schlage den Ball irgendwohin. Wenn ich ihn finde, schlage ich ihn wieder weg"

Komplexe Sachverhalte erklärt uns der Kaiser so, dass wir sie alle verstehen. Dieser sportliche Anti-Intellektualismus trägt auch abseits der Fußballstadien Früchte: Auf dem Golfplatz kann der Kaiser auf sein Handicap 9 stolz sein. © dpa

"Die Frauen sind hübscher und beweglicher geworden, das sieht sehr gut aus"

Mit Kinder machen oder Kinder bekommen hat dieses Zitat des Kaisers nichts zu tun, sondern mit Sport - genauer mit Frauenfußball. Auf was er dabei seinen Fokus legt, ist deutlich. Wenn nur die männlichen Fußballer auch immer hübscher würden, könnte man da erwiedern. © dpa

"Auf Safari rasiert man sich nicht"

Im Frühjahr 2014 schockierte der Kaiser die Nation mit Gesichtsbehaarung a la Stromberg. Die Stoppeln waren das Überbleibsel eines Afrika-Trips. In der Wildnis und im Kampf Mensch gegen Natur, so lassen sich Beckenbauers Worte deuten, haben Oberflächlichkeiten Sendepause. Dennoch: Der #franzbart wurde über Wochen hinweg heiß diskutiert. Am Ende musste der Fussballgott persönlich (auch bekannt als Pelé) eingreifen: Mit den Worten "Mein Bruder, du siehst aus wie ein Politiker" überredete er seinen Buddy zur Nassrasur. © Jörg Carstensen (dpa)

"Der Deutsche muss arbeiten, um erfolgreich zu sein"

Durch harte Arbeit entsteht wahrer Erfolg - und nicht durch dekadentes Zocken und bequemes Glücksspiel. Mahnende Worte des Kaisers zu Zeiten, in denen die Gier regiert: So manch einer hätte sie sich zu Herzem nehmen sollen. © dpa

"Ich habe mich immer durchgesetzt - Gott sei Dank"

Bezogen ist diese Stilblüte des Kaisers auf Lothar Matthäus. Wenig bescheiden sagte er, auf Loddar angesprochen: "Lothar und ich hatten auch Meinungsverschiedenheiten. Ich habe mich immer durchgesetzt. Gott sei Dank, die Erfolge sprechen für sich". © Johannes Simon/Bongarts/Getty Images (dpa)

"Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage"

Bis heute streiten sich Beckenbauer-Forscher, was der Kaiser uns damit sagen wollte. Der theologische Flügel der Wissenschaftler erkennt in Beckenbauers kryptischen Worten deutliche Referenzen an die christliche Dreifaltigkeitslehre. Statistiker wiederum sehen das Kaiser-Zitat nüchterner: Für Bayern München hat er im Laufe seiner Karriere 220 Spiele gewonnen, musste sich mit 84 Remis zufrieden geben und ertrug 92 Niederlagen. © dpa

"Schau'n mer mal"

Drei Worte für die Ewigkeit. Unverwechselbar. Unbestreitbar. Epitaph-würdig. Wir sagen: Alles Gute, Franz! © dpa