Applaus ist mehr als nur einfach klatschen

28.12.2012, 16:00 Uhr
Applaus ist mehr als nur einfach klatschen

© dpa

Samstagabend, ein Konzertsaal in Deutschland. Das Symphonie-Orchester hat gerade seinen ersten Satz beendet, da passiert es: Jemand klatscht. In den Zuschauerreihen räuspern die Herren streng, die Damen rollen mit den Augen. «Banause», zischelt es. Der Klatschende bemerkt seinen Fehler und rutscht ein Stück tiefer in den gepolsterten Konzertsaal-Sessel.

Applaus ist der eigentliche Lohn eines jeden Musikers, Sängers oder Schauspielers, heißt es. Er ist das akustische Schulterklopfen, mit dem der Zuschauer sagen will: «Das habt ihr gut gemacht.» Aber nicht immer ist Klatschen erlaubt. Je nach Situation gelten für den Applaus andere Regeln – und wer sie nicht kennt, läuft Gefahr, sich zu blamieren.

Praktische Tipps gibt zum Beispiel der Deutsche Knigge-Rat: Zwischen den Sätzen einer Symphonie wird nicht geklatscht. In der Oper hingegen darf zwischendurch applaudiert werden, normalerweise nach einem gelungenen Solo. Gleiches gilt für Jazz-Auftritte. Bei Pop-Konzerten wird im Grunde ständig gejubelt. Während der Messe in der Kirche sollte man hingegen nie klatschen. Aber warum ist es uns so peinlich, wenn wir gegen diese Regeln verstoßen?

Einfach freien Lauf lassen

«Wenn Sie gemeinsam applaudieren, dann verbindet Sie etwas miteinander», sagt Sascha Förster vom Institut für Medienkultur und Theater in Köln. Das gemeinsame Klatschen mache aus vielen Einzelnen eine Gruppe. Wenn aber jemand die Regeln der Gruppe nicht kenne, dann sei das unangenehm und peinlich, sagt Förster. Wer im falschen Moment klatscht, outet sich also als Außenseiter.

Applaus an der falschen Stelle kann auch die Künstler verwirren. Vor einigen Wochen hat eine Gruppe von hundert Jugendlichen «Tosca» in der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf gesehen. «Es kam plötzlich ein Applaus auf an Stellen, an denen es sonst gar nicht üblich ist», erzählt Theaterpädagogin Karoline Philippi. Kinder und Jugendliche hätten die kulturellen Regeln noch nicht so verinnerlicht wie Erwachsene und würden deshalb ihrer Begeisterung einfach freien Lauf lassen – die Musiker habe das aus dem Konzept gebracht. Nicht jeder musikalische Anschluss sei in dieser Vorstellung hundertprozentig gewesen, sagt Philippi.

In der Welt des Fernsehens erfüllt Applaus eine andere Funktion als im Theater: Die gute Stimmung in der Sendung soll auf den Zuschauer vor den Fernsehgeräten übertragen werden. Wenn ein Moderator zu Beginn einer Sendung mit tosendem Applaus begrüßt wird, dann soll dem Zuschauer zu Hause mitgeteilt werden: «Das ist eine tolle Sendung.» Der Applaus wird so selbst zum Teil der Show – und die ist natürlich professionell durchorganisiert.

Drei Minuten mehr Applaus für Steinbrück

Weil die Produzenten von Fernsehshows beim Klatschen lieber nichts dem Zufall überlassen, engagieren sie sogenannte Warm-Upper, die das Publikum im Studio kurz vor Beginn in die richtige Stimmung bringen. Warm-Upper sagen Sätze wie «Wenn der Moderator reinkommt, dann klatscht ihr mal so richtig in die Hände und trampelt mit den Füßen!». Förster glaubt: «Nur selten applaudiert das Publikum wirklich so, wie es sich fühlt.»

Dass der Applaus selbst ein Teil der Show ist, haben auch Politiker und Journalisten verinnerlicht. Einige Medien berichteten zum Beispiel nach dem SPD-Parteitag in Hannover, dass für den Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück drei Minuten länger geklatscht wurde als auf dem CDU-Parteitag für Kanzlerin Angela Merkel. Ob nun elf oder acht Minuten applaudiert wurde, scheint eine berichtenswerte Information zu sein.

Sehr bescheiden geht übrigens die Sopranistin Annette Dasch mit Applaus um. «Ich bin froh, wenn sich der Vorhang am Ende einfach schließt und man nach Hause geht», sagte sie vor etwa zwei Jahren dem «Hamburger Abendblatt». Applaus sei ihr irgendwie peinlich.

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