Jäger wird zum Gejagten
Auf Video festgehalten: Weiße Haie vor Südafrika attackiert, gefressen und aus Bucht vertrieben
25.1.2025, 16:33 UhrDer Weiße Hai gilt seit langem als Herrscher der Meere: Mit über sechs Metern Länge, einem ganzen Arsenal an Supersinnen und Kiefern, die meist das Letzte sind, was seine bedauernswerten Opfer sehen, steht er unangefochten an der Spitze der Nahrungskette. Oder besser: Stand. Vor der Küste Südafrikas scheint es einen neuen Anwärter auf den Thron zu geben - und der macht gezielt Jagd auf Weiße Haie. Die haben inzwischen sang- und klanglos das Feld geräumt. Wo einst berüchtigte Haigewässer lagen, finden Forscher inzwischen nun teils gar keine Tiere mehr.
Am 9. Februar 2017 wurde er erste Kadaver eines Weißen Hais an den Stränden Südafrikas angespült. Wie der "Guardian" berichtet, wies der 2,6 Meter lange Körper keine Spuren menschlichen Eingreifens auf. Auch andere große Weiße Haie in Gansbaai waren plötzlich verschwunden. Dr. Alison Towner von der Rhodes University stellte fest, dass drei mit akustischen Sendern ausgestattete Raubfische in andere Gegenden abgewandert waren. Erst im Mai kehrten mehrere der Tiere zurück – prompt wurden in den folgenden Wochen erneut Kadaver angeschwemmt. Acht Wochen lang gab daraufhin keinerlei Sichtungen großer Weißer Haie.
Im Juni 2021 tauchte ein weiterer Kadaver auf – die Haie sollten ein weiteres Jahr nicht zurückkehren. Zu diesem Zeitpunkt hatte Towner gerade mit ihrer Doktorarbeit über die Bewegungen der großen Meeresräuber begonnen. Obduktionen förderten zutage, dass alle vier am Brustgürtel aufgerissen waren und ihnen die Leber fehlte. Die Hinweise verdichteten sich, dass es sich hier nur um einen ganz bestimmten Räuber handeln müsse: Den Orca. Speziell zwei männliche Schwertwale, Port und Starboard, rückten in den Fokus der Wissenschaftler.
Am 16. Mai 2022 bestätigten Videoaufnahmen den Verdacht. Ein Mann filmte, wie fünf Orcas einen drei Meter langen Weißen Hai angriffen, auf den Rücken drehten und ihm die Leber herausrissen. Esther Jacobs von der Meeresschutzorganisation Keep Fin Alive äußerte sich laut "Guardian" betroffen: "Es war herzzerreißend zu beobachten, wie einer der Top-Räuber des Ozeans so mühelos besiegt wurde." An diesem Tag wurden drei weitere Tötungen beobachtet; die überlebenden Weißen Haie verließen daraufhin das Gebiet für 45 Tage.
Heute sind die Großen Weißen Haie in Mossel Bay nahezu verschwunden. Ihre Abwesenheit hat massive Auswirkungen auf das marine Ökosystem: Die Populationen ihrer Beutetiere, wie Kaprobben und Bronzehaien, sind stark angestiegen, was eine trophische Kaskade auslösen könnte. Towner weist darauf hin, dass die Robben mutiger wurden und sogar Afrikanische Pinguine jagten. Zudem haben sich seit Juni 2024 Robben in der Westkap-Region mit Tollwut infiziert – eine Epidemie, die auch Mossel Bay erreichte. Jacobs glaubt, dass gesunde Bestände an Weißen Haien möglicherweise zur Minderung dieser Situation beigetragen hätten.
Diese Entwicklungen spiegeln eine düstere Zukunft für unsere Ozeane wider. Denn das Problem reicht weit über zwei Orcas hinaus. Studien von Prof. Nicholas Dulvy von der Simon Fraser University zeigen, dass menschliche Einflüsse wie Überfischung zur globalen Ausrottung von Haien und Rochen führen: Seit 1970 haben sich ihre Bestände halbiert; jährlich sterben mehr als 100 Millionen Haie durch Überfischung, und mehr als ein Drittel aller Haiarten ist vom Aussterben bedroht.