"Brutaler Ausbruch von Gewalt": Kretschmann verurteilt Ausschreitungen
21.6.2020, 14:47 UhrMenschen, die mit Pflastersteinen Scheiben einwerfen, Polizisten angreifen sowie Handys und Schmuck mitgehen lassen - diese Szenen kennt man aus Stuttgart eigentlich nicht. Dass die Landeshauptstadt in der Nacht zum Sonntag trotzdem von derartigen Ausschreitungen heimgesucht wurde, irritiert und schockiert. Das Bild eines Randalierers der einen Polizisten mit voller Wucht von hinten anspringt und ihn so zu Fall bringt, zeigt die Hemmungslosigkeit gegenüber den Beamten.
Diese versuchten - ausgerüstet mit Schutzschilden - der Gewalt von mehreren Hundert Menschen Einhalt zu gebieten. Dabei wurden sie unterstützt von 200 Kollegen aus dem Stuttgarter Umland sowie Polizeihubschraubern. Von Seiten der Polizei hieß es auch, dass die Situation völlig außer Kontrolle geraten sei. 20 vorläufige Festnahmen und mehr als ein Dutzend verletzte Polizisten - das ist die erste Bilanz der nächtlichen Auseinandersetzungen.
Erster Hinweis auf den Auslöser der Randale, an der sich wohl vornehmlich Jugendliche und Heranwachsende beteiligt haben: eine Kontrolle anlässlich eines Drogendelikts. Mit den Kontrollierten solidarisierten sich laut Polizei viele Feiernde gegen die Beamten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Ausschreitungen scharf verurteilt. Er sprach am Sonntag von einem "brutalen Ausbruch von Gewalt". "Diese Taten gegen Menschen und Sachen sind kriminelle Akte, die konsequent verfolgt und verurteilt gehören", teilte der Grünen-Politiker mit. "Die Bilder aus der Stuttgarter Innenstadt können uns nicht kalt lassen." Seine Gedanken seien bei den verletzten Polizeibeamten und den durch die Plünderungen Geschädigten. Nun müsse man die Faktenlage und Erkenntnisse zusammentragen und mit Hochdruck klären, wer dahinter stecke.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) will gegen die Randalierer mit der vollen Härte des Rechtsstaats vorgehen. "Die Ausschreitungen, die wir in der Nacht in Stuttgart erleben mussten, waren von einer in Baden-Württemberg bisher noch nie da gewesenen Qualität", sagte Strobl am Sonntag.
Geschäfte punktuell und wahllos beschädigt
Am Morgen danach genießen Menschen auf dem Stuttgarter Schlossplatz die Sonne, trinken ihren Kaffee oder drehen ihre Joggingrunden. Wenige Meter davon entfernt steht der immer noch fassungslose Leiter eines Handygeschäfts, Eyob Russom, vor einem Scherbenhaufen. In seinem Shop an der Haupteinkaufsmeile Königstraße liegen herausgerissene Pflastersteine, viele Handys sind verschwunden. Im Laden nimmt die Spurensicherung den Schaden unter die Lupe. Russom sagt: "Traurig, dass so etwas passiert ist." Er habe sich so etwas in Stuttgart nicht vorstellen können.
Punktuell und wahllos sind Geschäfte beschädigt und geplündert: eine Eisdiele, die Filiale einer Fast-Food-Kette, ein Ein-Euro-Shop. Einen Juwelier hat es besonders getroffen: Hinter den Spanplatten vor der Auslage herrscht gähnende Leere. Aller Goldschmuck ist gestohlen worden. Vor einem benachbarten Shopping-Center ist eine zwölfköpfige Truppe des Technischen Hilfswerks mit der sogenannten Eigentumssicherung beschäftigt. Die Männer befestigen zwei Spanplatten an dem zerstörten Eingang in die Mall.
Der CDU-Kandidat für die Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl Frank Nopper spricht vor einem Sneakers-Laden, dessen Panzerglas-Fenster einen Einbruch verhinderten, von einem "Gewaltexzess". "Die Bilder haben mich schockiert, so etwa habe ich noch nicht erlebt." Stuttgart sei eine von Liberalität und gegenseitigem Respekt geprägte Stadt. Mit aller Kraft müsse dafür gesorgt werden, dass dies so bleibe.
Ein Passant, der in der Nacht unterwegs war, berichtet, dass es sich bei den Randalierern um sehr junge Menschen zwischen 16 und 20 Jahren gehandelt habe. Das bestätigt ein Paar aus Frankfurt: Am Samstagabend sei zu beobachten gewesen, dass sich auffällig viele junge Menschen am zentralen Schlossplatz aufhielten. Eigentlich habe die Stimmung mit Musik und Tanz noch entspannt gewirkt, sagen die Touristen. Die spätere Eskalation habe man da noch nicht ahnen können.
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