De-Extinction-Projekt

DNA von ausgestorbenem Spitzen-Raubtier rekonstruiert: Bald Wiedererweckung möglich?

Stefan Besner

Online-Redaktion

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29.10.2024, 18:59 Uhr
Dinos zu klonen gehört nach jetzigem Stand der Wissenschaft ins Reich der Fantasie. Bei anderen Arten jedoch ist eine Wiederauferstehung weitaus mehr Science als Fiction.

© IMAGO/imageBROKER/FLPA / Hugh Cl/IMAGO/imagebroker Dinos zu klonen gehört nach jetzigem Stand der Wissenschaft ins Reich der Fantasie. Bei anderen Arten jedoch ist eine Wiederauferstehung weitaus mehr Science als Fiction.

In Jurassic Park extrahieren Wissenschaftler Dino-DNA aus in Bernstein eingeschlossenen Stechmücken und erwecken damit die Urzeitriesen zu neuem Leben. Dinos zu klonen, gehört nach jetzigem Stand der Wissenschaft freilich ins Reich der Fantasie. Bei anderen Arten jedoch ist eine Wiederauferstehung weitaus mehr Science als bloße Fiction. Eine davon: Der Tasmanische Tiger.

Letztes Exemplar stirbt in Zoo

Noch vor 200 Jahren war der Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus), auch Beutelwolf genannt, das größte Raubtier des australischen Kontinents. Die rücksichtslose Jagd durch den Menschen trieb die Tiere an den Rand des Aussterbens - und letztlich darüber hinaus. In Tasmanien, der letzten Bastion der Beutelwölfe, wurden zeitweise sogar Abschussprämien gezahlt. Ein Umdenken geschah zu spät. Das wohl letzte Exemplar starb 1936 im Zoo von Hobart auf Tasmanien. Seitdem gilt die Art als ausgestorben. Das könnte sich allerdings bald ändern.

2023 erster Durchbruch

Ähnlich wie beim Mammut arbeiten seit einigen Jahren Forscher daran, den einstigen Top-Prädatoren Australiens wieder zum Leben zu erwecken – mithilfe von Gentechnik. Wie "Scienex" berichtet, haben Wissenschaftler bereits erste DNA-Fragmente aus Präparaten des Tasmanischen Tigers extrahiert und sie in die Zellen einer Beutelmaus eingeschleust. Das Thylacinus-Erbgut blieb bislang jedoch noch ziemlich lückenhaft. Im Jahr 2023 gelang einem Team dann ein Durchbruch: Zum ersten Mal gelang es, auch die RNA des Beutelwolfs zu sequenzieren. Diese liefert essenzielle Informationen über die Genregulation in den verschiedenen Geweben des Tieres.

99,9 Prozent der Beutelwolf-DNA

Nun ist ein weiter Meilenstein gesetzt worden auf dem Weg zur Wiederauferstehung des Tasmanischen Tigers. Ein Team um den Wissenschaftler Andrew Pask von der University of Melbourne und dem De-Extinction-Unternehmen "Colossal Biosciences" hat demnach erstmals die DNA von Thylacinus nahezu vollständig und mit hoher Präzision rekonstruiert. Die Forscher gewannen das Erbgut aus einem vor 108 Jahren gestorbenen und präparierten Exemplar aus dem Naturkundemuseum Melbourne.

Die rekonstruierte Beutelwolf-DNA ist zu 99,9 Prozent genau, wie Pask und sein Team aufgrund ihrer Analysen schätzen. Zudem sei das rekonstruierte Genom sowohl das vollständigste als auch das lückenloseste, das bisher von einem ausgestorbenen Tier erstellt wurde, heißt es.

Das Unternehmen Colossal arbeitet zeitgleich auch daran, Mammuts mithilfe von Geneditierung und Klontechniken wieder zum Leben zu erwecken und möglicherweise irgendwann durch die Weiten Sibiriens stapfen zu lassen. Der Plan sieht vor, Mammut-DNA in Elefanten-Stammzellen einzuschleusen.

"Meilensteine für das De-Extinction-Projekt"

Beim Beutelwolf ist man tatsächlich schon einen Schritt weiter als bei den zotteligen Cousins der Elefanten. Pask und sein Team haben demnach bereits pluripotente Stammzellen (Zellen, die auf keinen bestimmten Gewebetyp festgelegt sind) der Schmalfuß-Beutelmaus erzeugt, die zur selben Familie wie der ausgestorbene Beutelwolf gehört. Diese induzierten Stammzellen sollen als Hülle, eine Art genetisches "Gerüst" für das Erbgut von Thylacinus herhalten. Dem Team gelang es nun, mehr als 300 genetische Marker in die Zellen solcher Beutelmaus-Stammzellen einzuschleusen – mehr als bei jeder anderen Tierzelle zuvor.

"Das sind Meilensteine für das De-Extinction-Projekt des Tasmanischen Tigers", sagt Pask laut des Berichtes in "Scinex". Als nächste Schritte plant das Team und Colossal, das komplette Erbgut des Beutelwolfs in solche Beutelmaus-Stammzellen zu integrieren. Die DNA-haltigen Kerne dieser Trägerzellen werden dann nach der gängigen Methode in Klonverfahren in die entkernten Eizellen der Beutelmaus übertragen. Diese sollen zunächst in einer künstlichen Gebärmutter ihr Wachstum beginnen und dann in eine "Leihmutter" transplantiert werden, die die Embryos austrägt.

Embryo-Wachstum im künstlichen Uterus

Das Team um Pask hat darüber hinaus bereits Verfahren optimiert, mit denen sie die Eizellreifung bei der Beutelmaus anregen können. Parallel gelang es den Forschern, Embryos dieser Beutelwolf-Verwandten bis zur Hälfte der Reifungszeit in einem künstlichen Uterus zu kultivieren. Diese Technologien könnten in Zukunft auch dabei helfen, die Zucht von bedrohten Arten in Gefangenschaft zu verbessern, so Pask. Ein Beispiel seien die aktuell durch einen ansteckenden Krebs akut bedrohten Tasmanischen Teufel, die man durch entsprechenden Erhaltungszuchten zu retten versucht.