Ende der Girocard?
Eine Karte, sie alle zu entnerven: wie das Maestro-Aus für Frust beim Zahlen sorgt - auch im Urlaub
19.8.2024, 11:51 UhrDie Deutschen und ihr Bargeld - eine Liebesgeschichte mit Tradition. Während in europäischen Nachbarländern, besonders in Skandinavien, fast ausschließlich digital bezahlt wird, wurden hierzulande im vergangenen Jahr immer noch 51 Prozent der Zahlvorgänge mit Scheinen und Münzen abgewickelt, wie die "dpa" unter Berufung auf eine umfragebasierte Studie der Bundesbank berichtet.
Auch im Urlaub greifen wir aus Gewohnheit lieber ins Portemonnaie und ziehen die Scheine hervor. Demnach nimmt mehr als jeder Dritte so viel Bargeld mit, dass es für die meisten oder sogar sämtliche Ausgaben im Urlaub reicht, schreibt die "Wirtschaftswoche" mit Verweis auf eine neue YouGov-Umfrage im Auftrag der Postbank.
Doch Plastikkarten und Smartphone-Anwendungen ersetzen zunehmend die althergebrachten Zahlungsmittel. Einige Urlauber reisen aus Angst vor Diebstahl sogar ganz ohne Bargeld ins Ausland. Ein logischer Ansatz, doch das Unterfangen kann folgenschwer in die Hose gehen - wegen einer Umstellung bei Branchenriese Mastercard: Seit Juli 2023 gibt das US-Unternehmen offiziell keine Girokarten mit der "Maestro"-Funktion mehr heraus.
Über 30 Jahre lang hat das System dafür gesorgt, dass Deutsche mit ihrer Girocard (Anm. d. Red.: früher "EC-Karte" genannt) dank dem rot-blauen "Maestro"-Logo im Ausland bezahlen und Geld abheben konnten. Jetzt schickt Mastercard die weltweit funktionierende Auslands-Funktion schrittweise in Rente. Bereits ausgegebene Karten sind noch bis zu ihrem Laufzeitende gültig - maximal bis Ende 2027, dann soll endgültig Schluss sein.
Von der Entscheidung des US-Unternehmens sind in Deutschland Millionen von Kunden betroffen. Mastercard selbst rechtfertigte den Schritt damit, dass die Funktion "nicht ausreichend für den Online-Handel ausgelegt und daher nicht mehr zeitgemäß" sei. Weil die Girocard in Deutschland aber ein Standard-Zahlungsmittel ist, vermuten Insider und Experten, dass das Unternehmen aus wirtschaftlichem Kalkül gehandelt hat, um mehr am Umsatz des Online-Handels mitzuverdienen. Wird nämlich bei der Zahlung statt des Lastschriftverfahrens häufiger eine Kredit- oder Debitkarte von Mastercard verwendet, zahlen die Online-Shops Gebühren an das Unternehmen. Gleichzeitig würde Mastercard den Anteil an Kredit- und Debitkarten auf dem deutschen Markt stark erhöhen.
Auch ohne die "Maestro"-Funktion ist die Girokarte in Deutschland zwar voll einsatzfähig, im Ausland aber nutzlos. Es gilt deshalb als möglich, dass sich Banken schon vor Fristende 2027 dazu entschließen, das "Maestro"-System zu ersetzen. Einzelne Geldinstitute können laut Verbraucherzentrale entscheiden, die Girocard gar nicht mehr anzubieten und nur noch auf internationale Debitkarten von Mastercard oder Visa zu setzen.
Die Abschaltung des Systems bringt Menschen ohne Kreditkarte in Schwierigkeiten, denn: bisher akzeptierten nicht alle Geschäfte diese Karten. Im Ausland werden sie nicht selten von Mietwagenstationen als Sicherheit abgelehnt. Auch der Handel müsste in diesem Fall teils umrüsten. Für die Händler fallen außerdem höhere Kosten aufgrund der genannten Gebühren an das Karten-Unternehmen an - im Vergleich zur Girocard können die bis zu viermal so hoch ausfallen. Das könnte wiederum zu höheren Preisen vor Ort führen.
Beschwerde-Flut bei Verbraucherzentrale
Wie das Portal "brisant" berichtet, häufen sich bei der Verbraucherzentrale nach Abschaffung der "Maestro"-Funktion für die Girocard die Beschwerden. Viele Banken haben auf Debitkarten umgestellt. Sie sollen eigentlich die klassische Girocard ersetzen und werden standardmäßig zum Girokonto ausgegeben. Darüber soll langfristig die Möglichkeit, im Ausland oder online zu zahlen, sichergestellt werden.
Das Problem: An der Kasse kommt es beim Bezahlen mit der Debitkarte vielerorts zu Problemen. Zahlreiche Händler und Geschäfte akzeptieren sie schlichtweg nicht. "Die Problemschilderungen der Verbraucher:innen stehen im absoluten Widerspruch zu den mitunter blumigen Versprechen der Banken", sagt Ramona Pop vom Bundesverband der Verbraucherzentrale.
Banken integrieren beim sogenannten Co-Badging auf der Girocard von Kunden eine Debitkarte von Mastercard oder Visa, um die Vorteile beider Karten in einer zu bündeln. Bei Debitkarten werden im Unterschied zu Kreditkarten die Umsätze direkt vom zugehörigen Bankkonto abgebucht.
Was also tun? Verbrauchern bieten sich mehrere Möglichkeiten: Eine Option wäre, zum Konkurrenten Visa zu wechseln, das Girokarten mit dem Alternativsystem "V-Pay" ausgibt. Dieses funktioniert im Grunde genauso wie das Auslaufmodell "Maestro" weltweit. Visa erklärt bislang, dass "V-Pay" auch weiterhin zur Verfügung stehen wird. Alternativ besteht die Möglichkeit, zwei separate Karten zu nutzen – mit einer Girocard für den Inlandseinsatz und einer Debit- oder Kreditkarte fürs Ausland.