Nach New Yorker Vorbild
Für mehr Sicherheit: Dürfen Fußgänger in Deutschland bald auch bei Rot über die Ampel?
3.11.2024, 20:55 UhrNew Yorker sind das Laufen gewohnt. In der Millionenstadt ist immer etwas los, der Verkehr bietet mehr als genug Frustpotential. Doch auch Fußgänger gibt es dort deutlich mehr als im Rest der USA und die haben ihren eigenen Kopf. "Jaywalking" beschreibt das unerlaubte Überqueren einer Straße - beispielsweise bei einer roten Ampel oder abseits eines Zebrastreifens - und gehört ebenso zu New York wie gelbe Taxis und Wolkenkratzer.
"Wir müssen realistisch sein: Jeder New Yorker ist ein Jaywalker", schreibt die demokratische Politikerin Mercedes Narcisse in einer E-Mail. Sie ist maßgeblich an der neuen Regelung beteiligt gewesen. Ihr zufolge solle es keine Gesetze geben, die normales Verhalten bestrafen. "Jaywalking" wurde bislang mit einem Bußgeld von bis zu 250 Dollar sanktioniert.
Verschwindend geringe Strafen in Deutschland
In Deutschland hingegen wird das Überqueren einer roten Ampel deutlich weniger hart bestraft. Im Normalfall wird ein Verwarnungsgeld in Höhe von fünf Euro verhängt. Wird durch das unerlaubte Überqueren ein schwerer Unfall verursacht, steigt die Strafe laut Bußgeldkatalog auf zehn Euro an.
Doch auch hierzulande sind Fußgänger, die rote Ampeln überqueren, keine Seltenheit. Der Fachverband Fußverkehr Deutschland "Fuss e.V." fordert deshalb, dass Fußgänger in Zukunft auch hierzulande bei Rot über die Straße gehen dürfen.
Fußgänger-Grünpfeilampeln für mehr Sicherheit
Das soll aber nicht so ohne Weiteres erlaubt sein. Wie die "Rheinische Post" berichtet, will der Verband "Grüne Pfeile", wie sie im Straßenverkehr eingesetzt werden, nun auch für Fußgänger einführen. Diese grünen Pfeile erlauben das Abbiegen nach rechts auch dann, wenn die Ampel eigentlich Rot anzeigt. Dafür müssen Autofahrer erst an der Haltelinie anhalten. Sofern durch das Abbiegen keine querenden Fußgänger oder Radfahrer, die hier Vorfahrt haben, behindert werden, dürfen Autos auch bei Rot abbiegen.
"Für Fahrzeuge gibt es Abbiegepfeile aus Blech. Damit dürfen sie bei Rot rechts abbiegen. Damit ist das Tabu durchbrochen, dass man bei Rot immer stehenbleiben muss", erklärt Roland Stimpel vom Fußgängerverband gegenüber der "Rheinischen Post". "Warum soll es dann nur für Fußgänger weiter gelten, die sich an Ampeln oft die Beine in den Bauch stehen?"
Für den "Fuss e.V." hat die Forderung einen wichtigen Hintergrund. "Das Grün an der Fußgängerampel vermittelt eine falsche Sicherheit. Im letzten Jahr wurden 1781 Fußgänger an für sie Grün zeigenden Ampeln in Unfälle verwickelt. Rund doppelt so viele wie bei Rot. Das größte Risiko sind dabei Abbieger", so Stimpel.
Aber auch Kindern vermittle die aktuelle Regel eine falsche Sicherheit im Straßenverkehr. "Am gefährlichsten für Kinder sind nicht die Leute, die bei Rot über die Straße gehen, sondern die, die ihnen sagen: Bei Grün könnt ihr los." Stattdessen müsse man vor allem Kindern beibringen, auch bei Grün vorsichtig zu sein. An Ampeln sollten sie genauso vorsichtig sein wie am Zebrastreifen.
Eigenverantwortung statt trügerischer Sicherheit
Der Hintergedanke der Forderung ist klar. Die Menschen sollen so dazu angeregt werden, sich in jeder Situation selbst einen Überblick zu verschaffen - egal welche Farbe die Ampel anzeigt. "Man darf auch aufs Grünlicht nicht blind vertrauen. Das Signal gibt ein trügerisches Gefühl von Sicherheit", heißt es auf der Website des Verbandes. Das Gehen bei Rot will der Fachverband Fußverkehr damit aber ausdrücklich nicht als harmlos abtun.
"Fuss e.V." fordert also nicht zwangsläufig, Fußgängern das Überqueren bei Rot um jeden Preis zu erlauben. Stattdessen wollen sie mit ihrer Forderung gleiche Regeln für alle schaffen. "Es ist nicht einzusehen, dass potenziell gefährliche Fahrzeuge an solchen Stellen bei Rot fahren dürfen, während es beim Gehen aus Sicherheitsgründen überall verboten ist – selbst da, wo die Straße übersichtlich ist und man sich oft vor einer leeren Fahrbahn die Beine in den Bauch steht. Wenn das Rot-Tabu für Fußgänger überall gelten soll – dann erst recht für Fahrzeuge, die beim Rotfahren viel mehr Schaden anrichten können", schließt der Fachverband sein Statement ab.
Unterm Strich geht es um eine Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr - und zwar für alle Beteiligten.