Bündnis wehrt sich
Für mehr Verkehrssicherheit: Bündnis fordert Importverbot von US-Pick-ups
15.10.2023, 19:22 UhrSie sind groß, schwer und wahre PS-Monster: Pick-up-Trucks aus den USA sind immer öfter auch auf Europas Straßen anzutreffen. Dabei verstoßen viele Modelle gegen diverse Sicherheits- und Umweltstandards der EU, weshalb sie für den Verkauf in der Freihandelszone keine Typengenehmigung erhalten. Kfz-Händler können die Vorschriften für eine solche Typengenehmigung jedoch leicht umgehen - mithilfe der Ausnahmeregelung IVA.
Bei der IVA ("Individual Vehicle Approval") handelt es sich um eine Einzelgenehmigung für Fahrzeuge. Das kuriose dabei: Obwohl es sich, wie der Name bereits verrät, um ein Individualgenehmigungsverfahren handelt, gibt es keine Obergrenze: Beliebig viele Fahrzeuge können mithilfe der IVA so in die EU importiert werden. Dass das tatsächlich auch passiert, zeigt ein Blick auf die Zulassungszahlen: Wurden im Jahr 2019 noch 2900 "Off-Road-Fahrzeuge" in der EU zugelassen, waren es im Jahr 2022 schon 6800 Stück.
Sorge um Verkehrssicherheit
Diese Zahlen riefen nach Information der US-Zeitung "Politico" nun ein Bündnis aus insgesamt sieben Interessenverbänden auf den Plan, die der Entwicklung ein Ende setzen wollen: In einem offenen Brief an den EU-Binnenmarktkommissar und seine Kollegen für Verkehr, Klimaschutz, Umwelt und Justiz, äußerten die Verbände ihre Bedenken bezüglich der steigenden Anzahl zugelassener US-Pick-ups innerhalb der EU. Sie wollen, dass das Einzelgenehmigungsverfahren eingestellt wird.
In dem Schreiben, an dem sich unter anderem der Internationale Fußgängerverband, der Europäische Radfahrerverband und der Europäische Verkehrssicherheitsrat beteiligten, sorgen sich die Verfasser vor allem um die Sicherheit auf Europas Straßen: Sie berufen sich unter anderem auf eine Studie des Belgischen Instituts für Verkehrssicherheit, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, und laut der von Pick-up-Trucks eine erhöhte Gefahr für Fußgänger, Radfahrer und die Insassen kleinerer und leichterer Pkw ausgehe.
Mehr Schwerverletzte, mehr Verkehrstote
Vor allem steige der Studie zufolge das Risiko von schweren Verletzungen und Unfällen mit Todesfolge: Verkehrsteilnehmer, die in einen Verkehrsunfall mit einem Pick-up-Truck verwickelt sind, hätten ein 90 Prozent höheres Risiko, sich schwer zu verletzen - die Wahrscheinlichkeit zu sterben erhöhe sich gar um 200 Prozent. Ein Grund dafür sei die hohe Frontpartie der Trucks, die "oft höher ist als die von 10-jährigen Kindern", wie es in dem Schreiben heißt. Das sorge für eine schlechte Direktsicht, vor allem auf andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere Kinder. Zudem sei es komplizierter, die sperrigen Fahrzeuge zu manövrieren.
Zu einem ähnlichen Schluss wie die belgische Untersuchung kommt auch eine Studie des "Insurance Institute for Highway Safety" aus den USA selbst. Die Erkenntnisse des Instituts legen nahe, dass größere Fahrzeuge mehr Schaden anrichten, wenn sie mit einem Fußgänger zusammenstoßen. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, Passanten zu erfassen, generell höher.
Ein Blick auf die Zahl der Verkehrstoten scheint diese Studie zu untermauern: In den USA, wo rund 100 Millionen Pkw zugelassen sind, starben im Jahr 2021 rund 40.000 Verkehrsteilnehmer. Auf den Straßen der EU gab es im gleichen Jahr lediglich knapp 20.000 Verkehrstote - obwohl dort mit 250 Millionen mehr als doppelt so viele Pkw zugelassen sind.
"Keine Rechtfertigung" für XXL-Trucks aus den USA
Als typisches Beispiel für "Amerikas übermotorisierte und übergroße Pickups" führen die Verbände den Dodge Ram an: Der Truck verfüge über 6,7 Liter Hubraum, wiege bis zu 2,9 Tonnen und sei - mit ausgeklappten Seitenspiegeln - bis zu 2,6 Meter breit. Nach Meinung der Verbände schlicht zu groß und zu schwer für Europas Straßen: Es gebe keine Rechtfertigung für die Zulassung von Einfuhren dieses Fahrzeugtyps, da es eine breite Palette von Nutzfahrzeugen mit EU-Typgenehmigung gebe, die alle Anwendungsfälle des Dodge Ram abdecken. Mit anderen Worten: Es gebe schlicht keinen Grund, ein solches Fahrzeug zu fahren.
Wie der "Stern" berichtet, ist aber gerade dieses Modell sehr beliebt: Rund 60 Prozent der Neuzulassungen aller US-Pick-up-Trucks in der EU entfallen auf dieses Modell. Wenn dieser Trend gestoppt werden soll, ist die Gesetzgebung gefragt, zumindest nach Ansicht der Verbände, die sich in dem offenen Brief an die EU-Kommissare wandten: Antonio Avenoso, Exekutivdirektor der ETSC, fordert deshalb das Ende der Individualgenehmigungen für die US-Fahrzeuge - damit "diese unerwünschte Invasion nicht unsere Ziele in den Bereichen Verkehrssicherheit und Umweltschutz untergräbt".
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