Für tot gehalten: Vermisste nach 31 Jahren wieder aufgetaucht
24.9.2015, 18:09 UhrIhren Zahnarzttermin in Braunschweig nimmt die Informatikstudentin Petra P. (24) am 26. Juli 1984 noch wahr. Ob sie danach noch in den Bus nach Wolfsburg gestiegen ist, kann die Polizei später nicht mehr rekonstruieren. Bei ihren Eltern kommt sie auf jeden Fall nicht an, ihr Bruder meldet sie tags drauf als vermisst.
Die Ermittler gehen von einem Gewaltverbrechen aus, aber selbst eine Fahndung in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst" bringt 1985 keine Spur, eine Leiche wird nie gefunden. Später sagt der Mörder einer Schülerin aus, auch die Studentin getötet zu haben, widerruft das Geständnis aber. 1989 dann wird die Studentin für tot erklärt.
Die Sensation jetzt 31 Jahre nach dem Verschwinden der Frau: Düsseldorf, 11. September 2015: Bei der Aufnahme eines Wohnungseinbruchs räumt eine 55 Jahre alte Mieterin den überraschten Beamten gegenüber ein, dass sie nicht die Person ist, deren Namen auf dem Klingelschild steht. Sie ist die vermisste Studentin aus Braunschweig, kann sogar noch ihren seit Jahrzehnten abgelaufenen Personalausweis vorlegen.
Sie sei in all den Jahren nie aufgefordert worden, ihre Papiere vorzulegen, habe ihr Leben darauf ausgerichtet, erzählt sie den Beamten, wie Polizeisprecher Joachim Grande sagt. Zu ihrem Lebensunterhalt habe die allein lebende Frau nichts gesagt, sie habe gearbeitet. „Strafrechtlich ist ihr nichts vorzuwerfen." Falsche Papiere hatte sie nicht.
Was aber war damals der Grund für das Abtauchen der Studentin, die bei ihrem Verschwinden das 100-seitige Manuskript ihrer Diplomarbeit zu Eigenheiten der Computersprache in ihrer Tasche dabei hatte?
Zum Motiv habe sie keinerlei Angaben gemacht, lediglich erklärt, weiterhin keinen Kontakt zur Öffentlichkeit oder zu ihrer heute in der Nähe von Gifhorn lebenden Familie haben zu wollen. Dennoch wurde die Familie am Mittwoch von der Polizei über die vollkommen überraschende Wendung informiert. Die letzten elf Jahre lebte die Frau in Düsseldorf, davor in mehreren Städten Westdeutschlands. „Wo überall weiß sie nicht mehr."
Weiterhin ein Rätsel ist der Polizei, wie es der Frau überhaupt über so lange Zeit gelungen ist, ohne jegliche Identitätspapiere durchs Leben zu kommen. Personalausweis, Reisepass, Führerschein, Krankenversicherungs- und Bankkarte - nichts von alledem hat die Frau mehr als 31 Jahre lang zur Verfügung gehabt.
Verschwunden, zum mutmaßlichen Mordopfer und später für tot erklärt - wie geht es jetzt weiter? Zunächst, so erklärte die Braunschweiger Polizei, haben zwei Ermittler die Totgeglaubte in dieser Woche vernommen und festgestellt, dass es sich tatsächlich um die Langzeitvermisste handelt. Nun muss sie auf Antrag der Staatsanwaltschaft wieder für lebend erklärt werden - und das Klingelschild wird auch ausgetauscht.
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