Rätselhafter Himmelskörper

Galaktischer Ausreißer: Nürnberger entdeckt ungewöhnliches Objekt in der Milchstraße

Sara Denndorf

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26.8.2024, 14:16 Uhr
Die Darstellung eines Künstlers zeigt "CWISE J1249" (rechts) neben einem weißen Zwerg, der als Supernova explodiert ist.

© IMAGO/W.M. Keck Observatory/ZUMA Press Wire Die Darstellung eines Künstlers zeigt "CWISE J1249" (rechts) neben einem weißen Zwerg, der als Supernova explodiert ist.

"Ich kann die Aufregung nicht beschreiben", sagte Martin Kabatnik der Raumfahrtbehörde "Nasa". Der Nürnberger entdeckte laut einer Mitteilung gemeinsam mit zwei weiteren Hobby-Astronomen ein ungewöhnliches Objekt in unserer Galaxie: Der rasende Zwerg "CWISE J124909.08+362116.0" ist der erdnächste bisher bekannte Hyperschnellläufer, ist der kleinste Raserstern der Milchstraße – und wirft angesichts seiner Zusammensetzung und seiner Flugbahn Rätsel auf.

Aber von vorne: Im Rahmen des von der "Nasa" finanzierten Projektes "Backyard Worlds: Planet 9" suchen Freiwillige in Aufnahmen des Weltraumteleskops "NeoWISE" nach sogenannten Braunen Zwergen, also gescheiterten Sternen, sowie nach dem hypothetischen neunten Planeten des Sonnensystems. Der Nürnberger Amateur-Wissenschaftler Kabatnik stieß im Zuge dieses Projekts gemeinsam mit zwei weiteren Hobby-Astronomen auf ein lichtschwaches Objekt, das seine Position schnell veränderte. Als ich zum ersten Mal sah, wie schnell es sich bewegte, war ich überzeugt, dass es bereits gemeldet worden sein musste", erklärte der Franke.

Tatsächlich bewegt sich der Himmelskörper mit einer Geschwindigkeit von 524 Kilometern pro Sekunde durch die Milchstraße. Das ergaben weitere Untersuchungen: Astronomen um Adam Burgasser von der University of California in San Diego analysierten das Objekt mit einem hochauflösendem Spektroskop. "An diesem Punkt wurde das Objekt für uns spannend, denn Geschwindigkeit und Flugbahn verrieten, dass es schnell genug ist, um der Milchstraße zu entkommen", erklärt Burgasser.

Ungewöhnliche Flugbahn und Zusammensetzung

Üblicherweise kreisen die Sonne und fast alle anderen Sterne sowie Braune Zwerge recht gemächlich um das Zentrum unserer Galaxie. Dem Fachportal "scinexx.de" zufolge fliegen aber Hyperschnellläufer wie das vom Nürnberger Kabatnik entdeckte Objekt so schnell, dass sie die Anziehung der Milchstraße überwinden und ihr entfliehen. "Die meisten dieser Rasersterne verdanken ihr hohes Tempo und die oft ungewöhnliche Flugbahn einer Beinahe-Katastrophe: Sie wurden von der Supernova eines Partnersterns ausgeschleudert oder schrammten haarscharf an einem Schwarzen Loch vorbei", heißt es in einem Bericht von "scinexx.de". Tatsächlich stellte sich in den Modellierungen von Burgasser und Co. heraus, dass "CWISE J1249" womöglich aus der Galaxie heraus rasen könnte.

Nicht nur die Geschwindigkeit und die Fahrbahn des Himmelskörpers sorgt für Aufsehen, sondern auch dessen Zusammensetzung: "CWISE J1249" ist Spektralanalysen zufolge sehr metallarm und enthält etwa weniger Eisen als andere bekannte Sterne und Braune Zwerge. Dies deutet darauf hin, dass das Himmelsobjekt sehr alt sein muss und womöglich der ersten Sternengeneration der Milchstraße angehören könne. Das geht aus dem renommierten Fachblatt "Astrophysical Journal Letters" hervor, in welchem die Forscher jüngst ihre Ergebnisse veröffentlichten.

Außerdem besitzt der Himmelskörper eine geringe Masse, ist größer als ein Planet, kleiner als ein Stern – und könnte demnach ein sogenannter Brauner Zwerg sein. Diese gescheiterten Sterne schaffen es nicht, eine stabile Kernfusion aufrechtzuerhalten.

Zwei Theorien zum Ursprung des galaktischen Ausreißers

Nach aktuellem Stand gibt es zwei Theorien zur Herkunft des galaktischen Ausreißers, welcher unter anderem von dem Nürnberger entdeckt wurde. Möglicherweise stammt der Himmelskörper aus einem Doppelsternsystem mit einem sogenannten Weißen Zwerg. Dieser kann als Supernova explodiert sein, nachdem er das Material von seinem Begleiter abgezogen und "CWISE J1249" dadurch aus dem Sonnensystem herausgeschleudert habe. "Bei dieser Art der Supernova wird der Weiße Zwerg komplett zerstört und sein Begleiter rast mit seinem ursprünglichen Tempo plus einem ordentlichen Schubs durch die Explosion davon", erklärt Burgasser. "Unsere Berechnungen zeigen, dass dieses Szenario möglich wäre."

Der zweiten Theorie zufolge könnte der Himmelskörper auch aus einem eng verbundenen Kugelsternhaufen stammen und im Laufe der vergangenen Jahrmilliarden auf einige Schwarze Löcher gestoßen sein. Durch die Dynamik dieser Dreikörper-Wechselwirkung könnten Objekte wie "CWISE J1249" aus dem Sternhaufen geschleudert worden sein. "Wenn ein Stern dabei einem Paar Schwarzer Löcher zu nahe kommt, kann ihn dies ganz aus dem Kugelsternhaufen hinausschleudern", erklärt Koautor Kyle Kremer vom California Institute of Technology. Dabei können auch Flugbahnen wie die von CWISE J1249+36 herauskommen.

Wissenschaftler erkunden das Phänomen nun weiter. Laut der "Nasa" könnten weitere Beobachtungen des Himmelsobjekts neue Hinweise liefern.

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