Gericht Münster stoppt Rodung im Hambacher Forst

5.10.2018, 11:01 Uhr
Seit Wochen spielten sich im Hambacher Forst dramatische Szenen ab: Nun hat das Oberlandesgericht Münster über einen Rodungsstopp verfügt.

© Henning Kaiser/dpa Seit Wochen spielten sich im Hambacher Forst dramatische Szenen ab: Nun hat das Oberlandesgericht Münster über einen Rodungsstopp verfügt.

Die heftig umstrittenen Rodungspläne von RWE im Braunkohlegebiet Hambacher Forst bei Aachen sind vom Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) vorläufig gestoppt worden. Das Gericht entsprach mit seiner überraschenden Entscheidung am Freitag einem Eilantrag des Umweltverbandes BUND. Der Energiekonzern RWE wollte in den kommenden Monaten gut 100 Hektar des alten Waldes fällen, um den benachbarten Braunkohle-Tagebau zu erweitern. Umweltschützer hatten dagegen seit Wochen vehement protestiert. Auch an diesem Samstag ist eine Großdemonstration am Hambacher Forst geplant – obwohl die Polizei die Versammlung aus Sicherheitsgründen verboten hat.

Im Streit um die Rodung hatte der BUND argumentiert, dass der Wald mit seltenen Tieren wie der Bechsteinfledermaus oder dem großen Mausohr die Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes habe und deshalb geschützt werden müsse. Das Gericht erklärte, die Unterlagen dazu umfassten mehrere Kisten, die Rechtsfragen seien so komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren beantworten könne. Die Rodung müsse vorerst gestoppt werden, damit bis zum Hauptverfahren nicht "vollendete, nicht rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen" würden, teilte das Gericht mit. RWE äußerte sich zunächst nicht zu der Entscheidung.

Der früher einmal 4100 Hektar große Wald mit Jahrhunderte alten Buchen und Eichen liegt am größten europäischen Braunkohle-Tagebau zwischen Aachen und Köln. Er gilt mittlerweile als Symbol für den Widerstand gegen die Braunkohle-Verstromung und für den Klimaschutz.

RWE hält die Rodungen in den nächsten Monaten für "zwingend erforderlich". Eine vorübergehende Aussetzung der ab Oktober geplanten Abholzung würde die Stromerzeugung in den Kraftwerken in Frage stellen, hatte der Konzern argumentiert. Wegen des freiwilligen Verzichts auf Rodungen im vergangenen Jahr gebe es keinen zeitlichen Puffer mehr. Ein kurzfristiger Verzicht würde das Unternehmen Milliarden kosten, hatte RWE argumentiert. Außerdem hingen rund zehntausend Jobs am Braunkohletagebau. Das Gericht hielt RWE allerdings vor, die Notwendigkeit der Rodungen für die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland nicht ausreichend belegt zu haben.

Wann im juristischen Streit zwischen dem Bund für Umwelt und Naturschutz und dem Land Nordrhein-Westfalen eine endgültige Entscheidung fällt, ist nicht absehbar. In den nächsten Wochen werde noch kein Verhandlungstermin festgelegt, sagte eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Köln, das für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuständig ist.

Der Anmelder dem am Samstag geplanten Demonstration, Uwe Hiksch von den Naturfreunden Deutschland, kritisierte das Demo-Verbot durch die Polizei als "politisch motiviert". "Es ging nie darum, die Veranstaltung zu genehmigen, sondern um eine Hinhaltetaktik", sagte er. Die Verbände zeigten sich zuversichtlich, dass das Verbot noch gerichtlich gekippt werde. Falls das aber wider Erwarten nicht so sein sollte, werde man trotzdem zum Hambacher Forst fahren und eben ein Happening machen oder durch den Wald spazieren. "Die Busse sind gebucht, und sie werden auch fahren", sagte Hiksch.

Journalist stürzte in den Tod

Klimaaktivisten hatten über Jahre mit einer Wald-Besetzung gegen die Braunkohle und für den Klimaschutz demonstriert. Immer wieder wurden RWE-Mitarbeiter und Polizisten angegriffen. Zu Demonstrationen und "Waldspaziergängen" kamen Tausende Demonstranten. Mehr als 80 Baumhäuser wurden geräumt. Als Mitte September ein Journalist von einer Brücke zwischen zwei Baumhäusern in den Tod stürzte, heizte das die Emotionen weiter an.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte den Kreis Düren und die Stadt Kerpen angewiesen, die im Wald errichteten Baumhäuser von Rodungsgegnern aus Sicherheitsgründen zu räumen. Nun riet NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Innehalten. "Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster ist eine Chance, innezuhalten und nach Lösungen zu suchen, die die Energieversorgung und Arbeitsplätze sichern und den Schutz von Natur und Umwelt gewährleisten", erklärte Laschet am Freitag.

"Weder RWE noch Armin Laschet haben in den vergangenen Wochen etwas zur Befriedung des Konfliktes beigetragen", kritisierte dagegen die NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur. Die Landesregierung müsse nun eine neue Leitentscheidung zur Verkleinerung des Braunkohletagebaus vorbereiten, forderte Neubaur. Nach der aktuell gültigen Leitentscheidung, die noch zur rot-grünen Regierungszeit verabschiedet worden war, ist der Braunkohletagebau bis 2045 genehmigt.


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