Erschreckender Schlund
Gigantisches „Tor zur Unterwelt“ frisst sich unaufhörlich in die Erde
18.5.2024, 18:11 UhrDer "Eingang zur Hölle" galt Jahrtausende lang als Mysterium. Verschiedenen Mythologien zufolge soll er sich ja am Kap Tenaro auf dem griechischen Peloponnes, in der Te‘omim-Höhle in der Nähe der israelischen Stadt Bet Schemesch, in der Grotte di Toirano in der Region Ligurien in Italien oder Mittelerde befinden. Alles falsch. Nun tut sich ein wahrhaftiges "Tor zur Unterwelt" auf - und zwar in Russland. Mit Metaphysik hat der Spuk im nordöstlichen Sibirien allerdings herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil: Dieser Schlund ist nur allzu irdischen Ursprungs. Schuld ist der menschengemachte Klimawandel.
Abtauen des Permafrostbodens
Die Region Werchojanski in Sibirien liegt im Nordosten von Russland in der Republik Sacha (Jakutien). Dort ist es nahezu das ganze Jahr über eisig kalt. In den 1960er-Jahren hat sich nach Informationen von "futurezone" dort ein Loch in der Erde aufgetan. Durch das Auftauen von Permafrostboden im Zuge des Klimawandels sackt der Untergrund ab und bildet inzwischen einen gigantischen Abgrund mit dem Namen Batagaika-Krater. Eine neue Studie zeigt, wie schnell das "Tor zur Unterwelt" wächst.
12 Meter pro Jahr
Mit einer Länge von einem Kilometer und einer Tiefe von etwa hundert Metern ähnelt der Krater aus der Vogelperspektive einer monströsen Kaulquappe. Wie "Travelbook" berichtet, handelt es sich aus rein wissenschaftlicher Sicht dabei allerdings ebenso wenig um ein "Tor" wie um einen "Krater": Ein Krater entstehe demnach nur nach einem Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag. Korrekt handele es sich um eine "Taurutschung an einem Hang". Jahr für Jahr senkt sich der Boden des auch Batagaika Megaslump bezeichneten Phänomens ab. Grund dafür ist das durch den menschengemachten Klimawandel verursachte Abtauen des Permafrostbodens. Laut einer auf "livescience" veröffentlichten Studie dehnt sich der Krater auf diese Art im Schnitt um 12 Meter pro Jahr aus.
Die Batagaika-Vertiefung weist eine abgerundete Felswand auf, die erstmals 1991 auf Satellitenbildern zu sehen war, nachdem ein Teil des Hangs im Yana-Gebirge im Norden Jakutiens in Russland eingestürzt war. Dieser Einsturz legte im verbleibenden Teil des Hangs Permafrostschichten frei, die seit rund 650.000 Jahren gefroren waren - der älteste Permafrost in Sibirien und der zweitälteste der Welt.
Der eingestürzte Teil des Abhangs, der bis zu 55 Meter abgesunken ist, schmilzt ebenfalls schnell und sinkt infolgedessen weiter.
Mehr als 14 großen Pyramiden von Gizeh
"Schnelles Auftauen von Permafrostböden ist weit verbreitet und nimmt in arktischen und subarktischen eisreichen Permafrostgebieten zu", schreibt ein Forscherteam in einer Studie, die in der Zeitschrift "Geomorphology" veröffentlicht wurde. Die Menge an Eis und Sedimenten, die durch den Batagaika-Megaslump verloren ging, ist jedoch aufgrund der schieren Größe, die sich bis 2023 auf knapp einen Kilometer ausdehnte, "außergewöhnlich hoch". Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Eis- und Sedimentmenge von insgesamt 35 Millionen Kubikmetern abgeschmolzen ist, was mehr als 14 großen Pyramiden von Gizeh entspricht.
Miserabel beim Klimaschutz
Russland wird vom voranschreitenden Klimawandel überdurchschnittlich hart getroffen. Das Auftauen des Permafrostbodens, der weite Landesteile einnimmt, verschlimmert alles noch zusätzlich, denn: Im Permafrost ist jede Menge Methan eingeschlossen. Das Treibhausgas ist 25-mal klimaschädlicher als CO₂, also Kohlenstoffdioxid. Laut "futurezone" unter Verweis auf das Analyseinstrument Climate Action Tracker hat Russland beim Klimaschutz zudem ein massives Defizit. Die Regierung deckt einen gewaltigen Anteil ihres Staatshaushalts mit dem Export von Erdöl und Erdgas. Auch ein Großteil der Stromproduktion werde demnach durch fossile Energien beigesteuert.
Eismumie eines Fohlens
Eine Nebenerscheinung des auftauenden Permafrostbodens sind die immer wieder freigelegten Mumien eiszeitlicher Tiere wie Mammuts, Bären oder auch Pferde. Im Jahr 2018 wurde im Batagaika-Krater die vollständig erhaltene Eismumie eines Fohlens einer ausgestorbenen Wildpferdart gefunden. Wissenschaftler der Universität in Jakutsk schätzten ihr Alter auf 30.000 bis 40.000 Jahre.