Bundesgerichtshof

Familie darf hoffen: Grundstücksstreit wird neu verhandelt

14.03.2025, 05:03 Uhr
Der Rechtsstreit um dieses Haus geht weiter. (Archivbild)

© David Hammersen/dpa Der Rechtsstreit um dieses Haus geht weiter. (Archivbild)

Für eine Familie aus Brandenburg gibt es im Kampf um ihr Zuhause Grund zur Hoffnung: Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg muss noch einmal neu über den emotionalen Rechtsstreit um ein Einfamilienhaus und Grundstück in Rangsdorf verhandeln und entscheiden. Ein vorangegangenes Urteil, nachdem die Familie wegen einer fehlerhaften Zwangsversteigerung unter anderem ihr Haus abreißen sollte, hob der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe auf. (Az. V ZR 153/23)

Angefangen hatte alles mit der Zwangsversteigerung, bei der die betroffenen Eheleute W. 2010 das Grundstück in Rangsdorf südlich von Berlin erworben hatten. Nachdem sie darauf ein Haus gebaut und mit ihren zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich plötzlich der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Er hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung erfahren - und forderte das Grundstück zurück.

OLG hatte Familie zu Hausabriss verurteilt

Die Versteigerung sei nicht rechtens gewesen, entschied daraufhin 2014 das Landgericht Potsdam. Denn das Amtsgericht Luckenwalde habe vorher nicht ausreichend nach dem ursprünglichen Eigentümer gesucht. Der Zuschlag wurde aufgehoben. Das Grundstück gehörte somit auch rückwirkend dem ursprünglichen Eigentümer, der das Grundstück von seiner Tante geerbt hatte. 

Der Eigentümer zog gegen die Eheleute vor Gericht. Das OLG Brandenburg verurteilte sie daraufhin im Juni 2023 dazu, binnen eines Jahres ihr Haus abzureißen und das Grundstück zu räumen. Zudem sollten sie eine Grundschuld über 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6.000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Die Eheleute legten Revision ein - die in Karlsruhe nun Erfolg hatte.

Der Fünfte Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück.

Der Fünfte Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. © Uli Deck/dpa

Allerdings mit Einschränkungen. Denn auch der BGH stimmte zu, dass durch die Aufhebung des Zuschlags der Kläger der rechtmäßige Eigentümer sei. Und er daher - wie vom OLG angenommen - Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs und auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks habe. Auf die Frage, ob der Zuschlag damals vom Landgericht Potsdam zu Recht aufgehoben wurde, komme es jetzt nicht mehr an - weil dieser Beschluss eben rechtskräftig sei.

Jahrelanger Rechtsstreit geht weiter

Das große "Aber": Anders als vom OLG angenommen, habe die Familie für den Hausbau ein Zurückbehaltungsrecht. Das Wohnhaus habe den Wert des Grundstücks erhöht, sagte die Vorsitzende Richterin, Bettina Brückner. Dem Eigentümer sei es zumutbar, hierfür einen sogenannten Verwendungsersatz zu zahlen. Dabei sei auch egal, ob der Kläger überhaupt Interesse an dem Haus hat. Maßgeblich sei die "objektive Verkehrswerterhöhung". 

Nur wenn der Eigentümer die Baukosten für das Haus ersetzt, muss die Familie das Grundbuch berichtigen lassen, das Grundstück räumen und dem Eigentümer übergeben. Die Verurteilung der Familie zu Hausabriss und Löschung der Grundschuld hielt der BGH-Prüfung ebenfalls nicht stand.

Im Januar hatte der BGH zu der Sache verhandelt. (Archivbild)

Im Januar hatte der BGH zu der Sache verhandelt. (Archivbild) © Uli Deck/dpa

Jahrelanger Rechtsstreit geht weiter

Die beklagte Hausbesitzerin W. begrüßte die Entscheidung der Karlsruher Richterinnen und Richter. Es sei grundsätzlich ein positives Urteil, das das Ehepaar als sogenannte "gutgläubige Besitzer" zum ersten Mal in eine andere Position bringe, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur nach der Verkündung. Sie hoffe, dass sich mit dem Grundstückseigentümer auf dieser Grundlage vielleicht doch noch eine Einigung finden lässt.

Zwei Wermutstropfen sieht die Brandenburgerin trotzdem. Ihre große Hoffnung, dass der BGH auch die Aufhebung des Zuschlags an sich anders bewertet, habe sich in Karlsruhe nicht erfüllt. Und: Der jahrelange Rechtsstreit ist noch immer nicht zu Ende, die Familie muss noch einmal vor Gericht. 

Den Rechtsstreit selbst beenden konnte das höchste deutsche Zivilgericht am Freitag nicht. Das sei aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht möglich, sagte Richterin Brückner. Für eine abschließende Entscheidung müsse das OLG weitere Feststellungen treffen. So sei im Verfahren bisher etwa offen geblieben, wie hoch die Kosten für den Hausbau waren. Für die Frage nach dem Verwendungsersatz spielt das aber eine entscheidende Rolle. Deswegen wurde nach Brandenburg zurückverwiesen.

Land will Schaden ersetzen

Brandenburgs Justizminister Benjamin Grimm (SPD) wertete die BGH-Entscheidung als "Meilenstein". Die Entscheidung gebe der Familie eine "grundsätzliche Perspektive", sagte Grimm laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Jetzt stehe fest, dass die Familie das Haus nicht abreißen müsse. Außerdem müssten sie das Grundstück nur räumen, wenn der Eigentümer im Gegenzug Verwendungsersatz für die Errichtung des Hauses zahlt.

Das Land stehe weiterhin in der Pflicht, die materiellen Schäden der Familie zu ersetzen, bekräftigte Grimm. "Wir werden uns nächste Woche gemeinsam mit der Familie die Details der Entscheidungsgründe genauer ansehen und ihre Auswirkungen auf das weitere Verfahren bewerten."

War es ein Behördenfehler?

Das Amtsgericht Luckenwalde habe einen schwerwiegenden Fehler gemacht, entschied 2014 das Landgericht Potsdam. Denn es habe vor der Versteigerung nicht ausreichend nach dem Eigentümer gesucht. Die Versteigerung sei daher nicht rechtens. Der Zuschlag wurde aufgehoben. Das Grundstück gehöre somit weiterhin dem ursprünglichen Eigentümer.

Familie W. hat aber Zweifel daran, ob das Amtsgericht hier wirklich einen Fehler gemacht hat. Aus ihrer Sicht habe die Behörde sehr wohl im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach dem eigentlichen Besitzer gesucht, sagte Hausbesitzerin W. vor der mündlichen Verhandlung am BGH. Sie kritisiert zudem, dass der Zuschlag aufgehoben worden sei, ohne das betroffene Ehepaar zu hören.

OLG gab Klage des Eigentümers statt

Der Eigentümer zog gegen die Eheleute vor Gericht. Das Oberlandesgericht Brandenburg verurteilte die Familie im Juni 2023 dazu, binnen eines Jahres ihr Haus abzureißen und das Grundstück zu räumen. Außerdem sollte sie eine Grundschuld über 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6.000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen.

Gegen dieses Urteil legte Familie W. Revision ein, sodass der Fall in Karlsruhe landete. Die Frist für Räumung und Abriss wurde verlängert. Im Januar verhandelte der Fünfte Zivilsenat des BGH zu der Sache. Auf die Frage, ob der Zuschlag zu Recht aufgehoben wurde oder nicht, komme es heute nicht mehr an, erklärte die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner. Schließlich sei der Beschluss des Landgerichts rechtskräftig. Die Familie habe das Grundstück daher nach vorläufiger Einschätzung des Senats wohl endgültig verloren, so Brückner.

Hausbesitzerin hofft auf Einigung

Aber nicht in allen Punkten waren die Karlsruher Richterinnen und Richter mit der Entscheidung ihrer Brandenburger Kolleginnen und Kollegen d’accord. So könnte der Kläger wohl keinen Anspruch darauf haben, dass Familie W. ihr Haus auf eigene Kosten abreißt, sowie auf Löschung der Grundschuld. Zwar müsse das Ehepaar das Eigentum herausgeben - aber "so, wie es jetzt ist", fasste dessen Anwalt die Einschätzung des Senats zusammen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob der Kläger den Eheleuten dann Verwendungsersatz für das Haus zahlen muss. Hausbesitzerin W. hofft, dass man in diesem Fall doch noch zu einer Einigung mit dem Kläger kommen könnte, durch die sie ihr Haus und Grundstück behalten könnten.

Im Anschluss an das Verfahren wird es wohl auch darum gehen, wie viel Geld die Familie an Schadenersatz vom Land Brandenburg bekommt. Das Land stehe in der Verantwortung, die durch den Fehler bei der Zwangsversteigerung verursachten materiellen Schäden zu ersetzen, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums vor der Verhandlung. Das Ministerium sei mit der Familie im kontinuierlichen Austausch und strebe eine außergerichtliche Einigung an.