"Habe Besseres zu tun": Drosten liefert sich Twitter-Beef mit der BILD
26.5.2020, 10:37 UhrVirologe Drosten der Berliner Charité ist in jüngster Vergangenheit des Öfteren ins Fadenkreuz der Berichterstattung durch die Bild-Zeitung geraten. In der jüngsten Sache setzt sich der Wissenschaftler nun aktiv via Twitter zur Wehr.
Alle Infos zu Corona: Hier geht es zu unserem Live-Ticker
Konkret geht es um einen Bericht, der am Montag im Boulevardblatt erschienen ist. Die Bild titelt darin: "Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch - Wie lange weiß der Star-Virologe schon davon?" Darin geht es um eine Untersuchung von Ende April, bei der Drosten und sein Team zum Ergebnis gekommen sind, dass Kinder genauso infektiös sein können wie Erwachsene. Im Artikel wirft die Bild dem Virologen vor "unsauber gearbeitet" zu haben und zitiert aus Schriften einiger Wissenschaftler, anhand derer vermeintliche Schwächen der Methoden aufgezeigt werden sollen, die in der Drosten-Studie verwendet wurden.
Twitter-Gewitter
Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung des Bild-Artikels bezieht Drosten Stellung und kündigt den Bericht auf Twitter an, dass die Bild eine "tendenziöse Berichterstattung" über ihn mit "Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang" plane. Dem Tweet beigefügt ist das Anschreiben des Bild-Redakteurs, worin Drosten mit den besagten Zitierfetzen von vier Professoren der Uni Bonn, Zürich und Mannheim sowie von der amerikanischen Cornell University konfrontiert wird. Der Redakteur bittet ihn zudem um eine kurzfristige Stellungnahme binnen einer Stunde.
Interessant: die #Bild plant eine tendenziöse Berichterstattung über unsere Vorpublikation zu Viruslasten und bemüht dabei Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang. Ich soll innerhalb von einer Stunde Stellung nehmen. Ich habe Besseres zu tun. pic.twitter.com/fghG1rdnnq
— Christian Drosten (@c_drosten) May 25, 2020
Im ersten Tweet von Drosten waren auf dem Anschreiben die Kontaktdaten wie Mail-Adresse und Mobilnummer des Redakteurs deutlich erkennbar. Dieser Tweet wurde vom Virologen jedoch bereits gelöscht und durch einen zweiten ohne besagte Informationen ersetzt.
Der Tweet von Drosten wurde bisher (Stand: 26. Mai, 9 Uhr) über 8000 mal geteilt und ist mehrfach kommentiert worden. Dabei spalten sich die Lager in Solidaritätsbekundungen aber auch Gegenstimmen, die sich unter anderem gegen die Veröffentlichung der Daten des Journalisten richten.
Zu den Kritikern an der Datenfreilegung gehört etwa der ZDF-Hauptstadtkorrespondent Florian Neuhann. Er bezieht sich auf die Kritik des stellvertretenden Bild-Chefredakteurs Paul Ronzheimer, die sich wiederum auf die Veröffentlichung der Daten des Redakteurs bezieht.
Ich verteidige die BILD wirklich extrem selten (nachzulesen auf meinem Twitter-Account). Hier gebe ich @ronzheimer recht. https://t.co/4qGBDcUBVm
— Florian Neuhann (@fneuhann) May 25, 2020
Zustimmung zur Studie an sich erhält Drosten von seinem Virologen-Kollegen und SPD-Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach. Er mache sich "keine Sorgen" und bescheinigt die Methodik der Studie als "einwandfrei". Den Tweet von Drosten hat der Politiker dabei samt Anschreiben an seine Aussage angehängt.
Lieber c_drosten Da Methodik der Studie einwandfrei ist (und sich mit der anderer Studien dazu deckt) würde ich mir keine Sorgen machen. Die Studie bestätigt doch genau das, was in Wuhan epidemiologisch gezeigt wurde. Kritik muss erlaubt sein, aber Kollegenneid gibt es auch... https://t.co/oOeJWtktp2
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) May 25, 2020
Professoren distanzieren sich von Berichterstattung
Der im strittigen Artikel zitierte deutsche Ökonom Jörg Stoye, der an der Cornell-Universität in den USA Statistik lehrt, distanziert sich in einem Interview mit dem Spiegel von der unsachgemäßen Verwendung seiner Aussagen. "Ich will nicht Teil einer 'Bild'-Kampagne sein. Ich hatte keinen Kontakt zu 'Bild', sie haben mich nicht angefragt, ich habe mich auch nicht angeboten." Die von ihm im Bericht verwendeten Zitate stammen aus einem Aufsatz, den er auf Englisch verfasst hat und Bild "recht freihändig übersetzt" habe. "So, wie 'Bild' meine Zitate verwendet, stehe ich auf keinen Fall dazu."
Niemand von #Bild hat mit mir gesprochen, und ich distanziere mich ausdrücklich von dieser Art der Berichterstattung. https://t.co/Jrrx9eGNyk
— Christoph Rothe (@christoph_rothe) May 25, 2020
Auch die im Bericht zitierten Professoren Dominik Liebl von der Uni Bonn sowie der Mannheimer Christoph Rothe meldeten sich mittlerweile via Twitter zu Wort. Beide wollen nichts von der Bild-Anfrage gewusst haben und distanzieren sich eindeutig von "dieser Art" der Berichterstattung.
Ich wusste nichts von der Anfrage der BILD und distanziere mich von dieser Art Menschen unter Druck zu setzen auf das schärfste. Wir können uns mehr glücklich schätzen @c_drosten und sein Team im Wissenschaftsstandort Deutschland zu haben. They saved lifes!
— Dominik Liebl (@domliebl) May 25, 2020
1/n
Für die Bild meldete sich der stellvertretende Chefredakteur, Paul Ronzheimer, auf Twitter zu Wort. Dabei kritisiert er nicht das Vorgehen des Redakteurs aus dem eigenen Hause, sondern echauffierte sich vielmehr über die positiven Reaktionen aus der Netzgemeinde über die Veröffentlichung der persönlichen Daten eines Journalisten.
Es ist erschreckend, wie viele Journalisten, PR-Leute, (Ex)-Politiker hier bei Twitter feiern, dass eine Rechercheanfrage samt persönlicher Handynummer veröffentlicht und tausendfach retweetet wurde. Wenn es gegen die vermeintlich Richtigen geht, scheint alles erlaubt.
— Paul Ronzheimer (@ronzheimer) May 25, 2020
Hier finden Sie täglich aktualisiert die Zahl der Corona-Infizierten in der Region. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Über aktuelle Entwicklungen in der Corona-Krise berichten wir auch im Liveticker.
Verpassen Sie keine Nachricht mehr! In unserem täglichen Corona-Newsletter erfahren Sie alles Wichtige über die aktuelle Lage in der Coronakrise. Hier kostenlos bestellen. Immer um 17 Uhr frisch in Ihrem Mailpostfach.
Mit unserem E-Paper-Aktionsangebot erhalten Sie die wichtigsten Corona-News im Zeitungs-Format direkt nach Hause: Ein Monat lesen für nur 99 Cent! Hier gelangen Sie direkt zum Angebot.
30 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen