Jeder zehnter junge Erwachsene in Deutschland kennt den Holocaust nicht

NEW YORK - Während Holocaust-Überlebende allmählich aus der Welt scheiden, geraten womöglich auch ihre schlimmen Erlebnisse ins Vergessen. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Bereits jetzt wissen viele junge Menschen wenig über den Holocaust.

Während der NS-Zeit wurden im Deutschen Reich zwischen 5,6 bis 6,3 Millionen Jüdinnen und Juden getötet. Das nationalsozialistische Deutschland ging dabei so systematisch wie auch brutal vor - ein Fakt, den immer mehr Menschen zu vergessen scheinen oder der ihnen nicht bewusst ist. Rund 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schwindet das Wissen um das dunkle Kapitel Deutschlands, das hat nun eine Umfrage der Jewish Claims Conference (JCC) gezeigt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Bündnis seine Erhebung für den "Index zum Wissen und Bewusstsein über den Holocaust". Neben Deutschland wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika, im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Österreich, Polen, Ungarn und Rumänien Befragungen durchgeführt. In allen acht Ländern zeigt sich ein Abwärtstrend, wonach das Wissen über grundlegende Fakten zum Holocaust schwindet.

12 % der jungen Erwachsenen in Deutschland kennen den Holocaust nicht

Im November 2023 hatte das JCC jeweils 1000 Erwachsene in den oben genannten Ländern befragt. Laut Auswertung hatten in Deutschland 12 % der teilnehmenden Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren angegeben, noch nie vom Wort "Holocaust" oder "Shoah" gehört zu haben oder sind sich nicht sicher, ob sie davon gehört hatten. In Österreich (14 %) und Rumänien (15 %) verhielt sich dies ähnlich. In Frankreich konnten ganze 46 % der Befragten den Begriff nicht zuordnen.

Im Gesamten sei das Bewusstsein für den Holocaust aber höher, wie aus der Umfrage hervorging. Nimmt man die Gesamtheit der befragten Erwachsenen, sieht das Ergebnis wie folgt aus:

Vielen der Befragten weltweit mangelt es jedoch an grundlegendem Wissen über den Holocaust. So hatte die Befragung ergeben, dass rund 49 % der befragten Deutschen nicht wussten, dass 6 Millionen Jüdinnen und Juden während des Holocausts ermordet wurden. 18 % glauben zudem, dass 2 Millionen oder weniger Jüdinnen und Juden starben. Insgesamt gaben 24 % der deutschen Befragten an, dass der Holocaust nicht geschah und dass die Zahl der Ermordeten nicht stimmt oder "fair beschrieben" wurde.

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"Kritischer und unumkehrbarer Scheideweg": JCC warnt

Erfreulich sei aber, dass eine Mehrheit der Befragten Aufklärung über den Holocaust für wichtig hält - und auch dass es wichtig sei, weiter über den Holocaust zu unterrichten. Dennoch schlägt das Bündnis angesichts der jüngsten Ergebnisse Alarm: "Da die Zahl der Holocaust-Überlebenden rapide abnimmt, stehen wir an einem kritischen und unumkehrbaren Scheideweg", sagte Greg Schneider, Executive Vice President der JCC. "Die Überlebenden, unsere stärksten Lehrmeister, werden nicht mehr lange unter uns weilen - und dieser Index ist eine deutliche Warnung, dass ohne dringende und nachhaltige Maßnahmen die Geschichte und die Lehren des Holocausts in Vergessenheit zu geraten drohen."

Die "Conference on Jewish Material Claims Against Germany" (auf Deutsch: Konferenz zu den materiellen Ansprüchen der Juden gegen Deutschland) ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen, welche seit mehr als 60 Jahren Folgeverhandlungen über Entschädigungszahlen an jüdischen Holocaust-Überlebenden führt. Neben ihrer Arbeit für die Überlebenden, nutzt der Zusammenschluss sein Mittel auch für die Vermittlung, Dokumentation und Erforschung des Holocaust.