Was kann er nicht?

Kaffee: Der schwarze Klebstoff, der die Gesellschaft verkittet

Stefan Besner

Online-Redaktion

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17.3.2023, 09:58 Uhr
Kaffee verbindet.

© Creatista Kaffee verbindet.

Kein Vogel zwitschert. Keine Grille zirpt. Dichter Nebel wabert über taunassem Gras. Finsternis hüllt das Land in rätselhaftes Schweigen. Dann schrillt es, dröhnt es und ein entsetzliches Stöhnen dringt aus den Kehlen der Totgeweihten: Das Grauen! Das Grauen!

Jeden verdammten Morgen. Jeden verdammten Tag. Immer zur gleichen Zeit. Immer zu früh… Dieses Mal schaffe ich es nicht, denkt man sich, während man die steifen Glieder in Bewegung setzt, zur Kaffeemaschine tapert und sich mit einem schlaffen Grinsen im Gesicht an all die Male erinnert, als man das schon gedacht hat.

Das schönste Röcheln der Welt ertönt, wenn das Wasser in den Filter rinnt. Die erste Tasse genießt man nicht, die erste Tasse braucht man viel mehr wie die Luft zum Atmen. Man inhaliert das schwarze Gold, das jeden Morgen ein biblisches Wunder vollbringt: Lazarus erhebt sich aus seinem Grab. Millionen von Lazarussen. Aus Millionen von Gräbern. Ist der Wecker Gottes ausgestreckter Mittelfinger an die arbeitende Bevölkerung, so ist Kaffee sein Symbol der Versöhnung. Kaffee ist keine Entschuldigung für Krankheit, Krieg, Tod oder gar die iterative Agonie, mit der man sich als Büroangestellter herumschlagen darf. Aber Kaffee macht den alltäglichen Wahnsinn etwas erträglicher.

Kaffee erweckt, besänftigt und schlägt Brücken. Wurde uns das gesellige Vergnügen von Kippen in der Früh vor der Tür nach und nach vergrätzt, trifft man sich jetzt halt in der Kaffeeküche, um den Tag des anderen mit den eigenen Banalitäten anzureichern. Das kann man sogar mehrmals täglich praktizieren. Und wehe, einer hat die Kanne geleert, ohne wieder neuen Kaffee aufzusetzen… Manch einer kocht an der Stelle vor lauter Wut noch vor dem Kaffee über. Und auch das ist eine positive Nebenwirkung von Kaffee: Fluchen tut gut. Es schafft Abwechslung. Es belebt den Geist. Und der Nächste freut sich über eine bis oben volle Kanne voll dampfenden – Kaffees.

Neben den hinlänglich bekannten Stärken besitzt Kaffee noch eine weitere, geheime Superkraft. Kaffee verbindet. Er ist der sichtbare koffeinhaltige Klebstoff, der die Gesellschaft verkittet. Der brave Bürger schlürft seinen Morgenkaffee ebenso, wenn er vor der Zeitung sitzt und sich einmal mehr nach Herzenslust über diese impertinenten Klimakleber ergeht wie der Aktivist, bevor er seine Hand auf den Asphalt pappt, um die Welt zu retten. Ohne Skrupel schlürft Howard Schultz in einem seiner Starbucks eine verstörende Kombination aus Kaffee und Olivenöl, während diejenigen, die auf den Kaffeeplantagen Blut und Wasser schwitzen, von so einem Luxus nur träumen können.

Wir alle tun es. Ob jung, ob alt, ob reich, ob arm. Vermutlich gönnt sich sogar Gott gelegentlich ein Tässchen. Ganz sicher tut es Markus Söder – natürlich stilecht aus seiner Spiderman-Tasse. Und was kann schlecht sein, das Markus Söder höchstselbst für gut befindet?

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