Florida

Kein Lockdown, keine Masken: So läuft Floridas Sonderweg

Janina Lionello

nordbayern.de

E-Mail zur Autorenseite

28.3.2021, 20:36 Uhr
Studenten aus allen Teilen der USA feiern derzeit in Florida Spring Break. 

© JOE RAEDLE, AFP Studenten aus allen Teilen der USA feiern derzeit in Florida Spring Break. 

Schwitzende Körper drängen sich dicht aneinander, Kinder turnen fröhlich über einen Trampolinparcours, auf einer Bühne spielen Musiker: Die Bilder aus Florida, die derzeit die Medien fluten, wirken wie aus einer anderen Welt. Während vielerorts Masken getragen werden müssen, gab es in dem US-Staat nie eine Pflicht. Auch Ladenschließungen, Reisebeschränkungen oder ähnliches wurden schon im letzten Sommer wieder aufgehoben, und seit September gehen alle Kinder und Jugendlichen regulär zur Schule.

Der "Sunshine State" hat in der Pandemiebekämpfung schon früh einen eigenen Weg eingeschlagen und wurde dafür zunächst heftig kritisiert. Dazu dürfte auch die Nähe des republikanischen Gouverneurs Ron DeSantis zu Ex-Präsident Trump beigetragen haben, der in oft konzeptlos und ignorant agierte. Anders als Trump wird DeSantis als introvertierter Charakter beschrieben, der eher leise Töne anstimmt und sich von Experten aus Standford beraten lässt.

Inzwischen sind die kritischen Stimmen deutlich leiser geworden und selbst der traditionell als Republikaner-kritisch geltende US-Sender CNN titelte jüngst: "Florida boomt, Governeur DeSantis’ Kurs ist von Erfolg gekrönt."

Todeszahlen niedriger als US-Schnitt

Die Arbeitslosigkeit in dem Staat liegt mit 4,8 Prozent deutlich unter dem US-Schnitt von neun Prozent, und auch der Blick auf die Infektionszahlen gibt dem Medium recht: Trotz spärlicher Maßnahmen liegt Florida mit drei Prozent aktuell nur leicht über dem US-Durchschnitt. Noch besser sieht es laut Daten der Johns Hopkins Universität bei den Covid-assoziierten Todesfällen aus. Hier sind es bis dato rund acht Prozent weniger als im Rest des Landes. Und das, obwohl der Staat beim Impfen sogar unter dem Durchschnitt aller Staaten liegt und den mit Abstand höchsten Anteil an B.1.1.7 hat, also der gemeinhin als "englischen Mutation" bekannten Variante, die eine etwas höhere Sterblichkeit mit sich bringt und sich schneller verbreitet.

Vergleicht man die Kurve, die Floridas Todeszahlen nehmen, beispielsweise mit der Kaliforniens, das einen deutlich strengeren Kurs mit Maskenpflicht und zeitweisen Schulschließungen gefahren ist, so wird deutlich: Florida hat die letzte zweite Welle im Winter deutlich besser überstanden.

Todesfälle pro 100.000 in Florida und Kalifornien seit September.

Todesfälle pro 100.000 in Florida und Kalifornien seit September.

Für den Epidemiologen und Virologen Klaus Stöhr untermauern diese Daten einen Kurs, zu dem er von Beginn der Pandemie an geraten hat: Differenzierte Maßnahmen, die nicht die gesamte Bevölkerung betreffen, sondern genau an den Stellschrauben ansetzen, bei denen der größte Nutzen zu erwarten ist. “Es ist nicht so, dass Staaten wie Florida keine Maßnahmen ergriffen hätten - sie sind nur gezielter vorgegangen”, sagt er. Man habe sich auf diejenigen konzentriert, die unmittelbar betroffen seien und den Bereich ausgeklammert, der laut den meisten Studien nur sehr wenig aktiv zum Infektionsgeschehen beitrage: Schulen und Kindergärten. “Das Einsperren der Kinder hat auf die Letalität der Vulnerablen einen viel geringeren Effekt, als es die theoretische Modelle vorausberechnetet hatten", sagt Stöhr.

Während Florida also eine gewisse Verbreitung des Virus in nicht-vulnerablen Gruppen in Kauf nahm, wählten mache andere Staaten eine ähnliche Strategie wie die meisten europäischen Länder: Die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung so niedrig wie möglich zu halten, um auf diese Weise Infektionsketten früh zu verhindern.

Fokus auf Sicherheit der Krankenhäuser

Stöhr, der früher das Globale Influenza-Programm der WHO leitete und dort als SARS-Forschungskoordinator tätig war, hat in der Pandemie auch die Gouverneure von North Carolina und South Carolina beraten, mit ihnen ein Strategiepapier erarbeitet. Er sagt: “Wir haben uns vor allem auf die Sicherheit der Krankenhäuser, Pflegeheime und vulnerable Personen konzentriert.

Mit umfangreichen Tests für Besucher und fundierten Hygieneeinweisungen für das Personal, denn der Nutzen von Hygiene-Ausstattung wie Masken und Schutzkleidung steht und fällt mit deren richtiger Anwendung."

Inzwischen ziehen immer mehr US-Bundesstaaten nach, lockern ihre Maßnahmen im Stil Floridas und schaffen die Maskenpflicht ab.


Wilde "Spring Break"-Partys in Florida schüren neue Corona-Ängste


"Viele der US-Staaten sind insgesamt pragmatischer vorgegangen als wir", sagt Stöhr. "Sie haben von Beginn an kalkuliert: Bis wann werden wir einen Impfstoff haben und wie große Einschränkungen können wir bis dahin realistischerweise durchhalten?" Dass die Neuinfektionen inzwischen US-weit zurückgehen, hat nach Ansicht des Epidemiologen zwei Hauptgründe. Neben der Tatsache, dass die Impfquote deutlich höher ist als beispielsweise in Deutschland, sieht er in einer bereits beginnenden Herdenimmunität einen weiteren zentralen Grund für den Rückgang. "Dadurch, dass es insgesamt weniger strenge Regeln gerade bei den Jungen gab, dürften sich viele Menschen bereits unbemerkt infiziert haben und dadurch eine natürliche Immunität erlangt haben, die das Fortschreiten der Pandemie nun immer mehr abbremst", sagt er.

Tausende Studenten feiern Spring Break

Diese Annahme untermauern auch Seroprävalenz-Studien, die eine hohe Dunkelziffer in den Staaten nahelegen. Ob Florida mit seinem lockeren Kurs weiterhin erfolgreich sein wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Derzeit feiern tausende Studenten dort Spring Break. Inwieweit sich die teilweise eskalierenden Partys - Miami ordnete vor kurzem eine Ausgangsbeschränkung ab 20 Uhr an, um Randale zu verhindern - auf das künftige Infektionsgeschehen auswirken werden, wird sich dann zeigen.

Verwandte Themen