Medikamentenforschung
Keine Erfolge: Fränkische Wissenschaftler entzaubern Corona-Wundermittel
29.7.2021, 06:15 UhrDas Medikament Ivermectin ist ein günstiges Arzneimittel, das weltweit seit Jahrzehnten erfolgreich gegen den Befall von Parasiten und Würmer eingesetzt wird, in Deutschland findet es vor allem in der Behandlung gegen die Krätze Verwendung. Nachdem australische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Melbourne Anfang 2020 zeigten, dass das Medikament in Zellkulturen die Last an Coronaviren um den Faktor 5000 senken kann, wurde Ivermectin vor allem in Ländern Lateinamerikas und Asiens als Wundermittel gehandelt und zur Vorbeugung und Therapie von Covid-19 eingesetzt. Auch in Österreich begann laut dem Hersteller Infectopharm ein Run auf das Arzneimittel, nachdem dessen Einsatz in der benachbarten Slowakei empfohlen wurde.
Medikament kann Infektion nicht verhindern
Doch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Würzburg fanden nun heraus, dass der Einsatz von Ivermectin weder den Zustand der Erkrankten verbessert noch die Zahl der Todesfälle reduziert, verglichen mit einer Standardbehandlung oder dem Einsatz eines Scheinmedikaments (Placebo). Auch eine SARS-CoV-2-Infektion verhindern kann das Medikament nach den aktuell vorliegen Erkenntnissen nicht.
Forscherinnen und Forscher der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) untersuchten das Medikament mit weiteren deutschen Universitätskliniken im Rahmen des "Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19" in einer systematischen Review, ob Ivermectin tatsächlich gegen Covid-19 helfen kann. Unterstützt wurden sie dabei von der Cochrane Infectious Disease Group, einem Netzwerk, das medizinisches Wissen regelmäßig auf den Prüfstand stellt. Die Beweislage sei laut den Forschenden aber sehr dürftig und erlaube keine endgültigen Aussagen.
Doch wie passen die Würzburger Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus den anderen Ländern zusammen? Tatsächlich zeigten mehrere kleine Studien scheinbar große Effekte von Ivermectin auf die Sterblichkeit der Erkrankten. Einer wissenschaftlichen Überprüfung hielten diese Ergebnisse allerdings nicht stand. "Wir haben 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in unsere Untersuchung einbezogen", erklärt die Biologin Dr. Stephanie Weibel, neben der Ärztin Maria Popp Hauptautorin der Review. In 13 dieser 14 Studien erhielten leicht bis mittelschwer erkrankte Covid-19-Patientinnen und -patienten entweder eine Standardbehandlung, ein Placebo oder das Medikament Ivermectin. Die Studie untersuchte, inwieweit Ivermectin einer Corona-Infektion vorbeugen kann, ohne dies mit einer anderen Form der Prävention zu vergleichen.
Die Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob die Gabe von Ivermectin die Zahl der Todesfälle unter Covid-19-Patienten senken kann, ob sich der Zustand der Infizierten durch die Therapie verbessert oder verschlechtert, und welche Nebenwirkungen die Therapie nach sich zieht.
Mangelnde Studienlage
Die Ergebnisse sind eindeutig: "Die aktuelle Evidenz rechtfertigt keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von Covid-19", heißt es seitens der Forscher. Weitere Untersuchungen seien vor allem aus einem Grund nötig: "Die bisher zu Ivermectin durchgeführten Studien hatten vergleichsweise wenige Teilnehmer. Darüber hinaus waren sie von eingeschränkter Qualität in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung", sagt Stephanie Weibel. Dementsprechend mangele es ihnen an "qualitativ hochwertiger Evidenz", um Aussagen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin treffen zu können.
Paul Garner, koordinierender Editor der Cochrane Infectious Disease Group, freut sich über die vorgelegten Ergebnisse des Forscher-Teams: "Dies ist ein großartiger Review von einem hocherfahrenen Team". Der Hype um Ivermectin wird seinen Worten nach durch einige Studien vorangetrieben, in denen die Effektstärke des Medikaments nicht glaubwürdig sei. Dies habe die Schlussfolgerungen in anderen bereits publizierten Reviews beeinflusst. Eine kürzlich erschienene Studie, die einen starken positiven Effekt des Medikaments nachgewiesen hat, sei inzwischen sogar als "Fake" zurückgezogen worden.
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