Anschlag in Magdeburg
Magdeburg: „Uns dann noch so zu quälen“ - Mutter darf die Leiche ihres Kindes (9) erst jetzt sehen
3.1.2025, 11:02 UhrBeim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 wurde der 9-jährige André getötet. Der Junge lebte bis vor Kurzem in dem oberpfälzischen Markt Floß im Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Das berichtete die "dpa". Demnach ist der Junge erst im Frühjahr nach Niedersachsen gezogen, jedoch würden der Vater und die Geschwister weiter in Floß leben.
Nun meldet sich seine Mutter und der Stiefvater über TikTok. "Der Staat als auch Magdeburg lassen uns alle tierisch im Stich und machen uns das Leben gerade so richtig schwer", erklärt der Stiefvater zu Beginn. Das Paar veröffentlicht das Video elf Tage nach dem Anschlag.
"Ich verstehe nicht, wieso man dann eine Mutter noch so leiden lässt"
In dem Video sieht man das Paar nebeneinander sitzen. Im Hintergrund erkennt man ein Porträt des Jungen an der Wand hängen. Es stehen Trauerkerzen darunter. Beide wechseln sich beim Reden ab. Es scheint, als würden beide völlig frei in die Kamera sprechen. "Jeden Tag schwindet die Hoffnung unser Kind nochmal sehen zu dürfen", sagt die Mutter des 9-Jährigen mit zitternder Stimme. "Jetzt sollen nochmal zwei Tage vergehen bis wir unser Kind sehen dürfen. Keiner weiß, ob wir das überhaupt dürfen", erklärt sie. "Uns dann noch zu quälen, indem man unser Kind nicht freigibt", betont sie. "Es ist schon schlimm genug. Ich verstehe nicht, wieso man dann eine Mutter noch so leiden lässt." Sie erklärt, dass man nicht wisse, ob es zumutbar wäre. Vielleicht möchten die Behörden das Paar schützen. Das Paar bittet am Ende des Videos darum, das Video so oft es geht zu teilen. "Wir leiden ohne Ende", betont der Stiefvater.
Eltern dürfen ihn jetzt sehen
Mittlerweile wurde das Video hunderttausendfach geteilt. In einer Mail aus dem sachsen-anhaltischen Innenministerium an Landtagsabgeordnete hätte man die lange Wartezeit als "außerordentlich bedauerlich" bezeichnet, so der "Spiegel". Es sei die Konsequenz aus einem pietätvollen Vorgehen. Um den Leichnam des Kindes zweifelsfrei identifizieren zu können, benötigte man DNA-Material der Mutter. In der Mail soll der Zustand der Mutter als "sehr schlecht" bezeichnet worden sein. Aus diesem Grund sei man erst am Dienstag damit an sie herangetreten. Am Donnerstag, dem 2. Januar, durften Mutter und Stiefvater schließlich von dem Jungen Abschied nehmen.
In der E-Mail wurde laut "Spiegel" zudem erklärt, dass eine andere Art der Identifizierung nicht möglich gewesen wäre. Die Fingerabdrücke des 9-Jährigen seien zu dessen Lebzeiten nie registriert worden und ein Abgleich des Zahnstatus sei nicht infrage gekommen, da man keinen behandelnden Zahnarzt ermitteln hätte können.
Unterstützung für die Familie
Die Mutter sagte in dem Video außerdem, dass sie abgesehen von einem Formbrief des Opferschutzes mit gedruckten Unterschriften bisher nur private Hilfen erhalten hätten. Auch um psychologische Hilfe hätte sie sich selbst kümmern müssen.
Diese Vorwürfe weist das Landesinnenministerium in der E-Mail zurück, so der "Spiegel". Demnach wurde in der E-Mail erklärt, dass eine Beamtin des Landeskriminalamtes schon kurz nach dem Anschlag die Mutter angerufen haben soll. In diesem Gespräch habe man auch eine sogenannte psychosoziale Notfallversorgung angeboten, die die Frau auch in Anspruch genommen haben soll. Ein leitender Beamter sei nun "weiter im direkten Kontakt mit der Familie", wie der "Spiegel" der E-Mail entnommen hat. Ebenso soll der Bundesopferbeauftragte "direkten Kontakt" mit den Eltern gehabt haben.
Laut dem Magazin soll das Paar durch einen öffentlichen Facebook-Post kurz nach dem Anschlag viel Unterstützung aus der Zivilbevölkerung erhalten haben. Eine Spendenaktion soll für die Familie bislang mehr als 125.000 Euro erbracht haben.