Kundschaft wittert Schikane
„Man bezahlt mit seiner Würde“: Warum sich immer mehr Menschen beim Bäcker schämen
8.8.2024, 15:17 UhrBeim Italiener, Griechen oder Chinesen hat wohl jeder schon mal lieber auf die Karte gezeigt oder nur die Speisennummer genannt, um zu vermeiden, den fremdsprachlichen Namen des gewünschten Gerichts falsch auszusprechen. Als Oase der Einfachheit im Kontrast zu befürchteten sprachlichen Fehltritten galten einst Bäckereien: Man bestellte "ein Normales", "ein Körner" oder "eine Apfeltasche". Doch dieser Luxus der Einfachheit früherer, unbeschwerter Bäckereibesuche ist inzwischen ein Relikt aus alten Zeiten. Mittlerweile heißen Zimtschnecken "Zimtwuppies", krosse Brötchen "Prachtstücke" und Körnerbrote "Kraftprotz".
Inzwischen hält bei immer mehr Bäckereien das Phänomen der kindlichen, personalisierten, vermeintlich kreativen, sicher aber für die Kundschaft unangenehm auszusprechenden Gebäckbezeichnungen Einzug. Vom "Grobian" über den "Roggenkrosser" und den "Roggster" bis hin zum "Schokijungen" – die Liste lässt sich ewig fortführen. Kunden empfinden diese Entwicklung als traumatisierende Schikane der Backlobby, als Akt der Erniedrigung – zumindest wenn man diversen TikTok-Sketchen Glauben schenken mag.
TikToker nehmen Trend als Inspiration für Sketche
Unter anderem der Comedian Marvin Hoffmann teilte ein Video von einem gestellten Bäckereibesuch, in dem er den Trend zur kuriosen Namensgebung von Gebäck überspitzt. Unter anderem möchte er im Video Produkte mit den Namen "Kürbis-Knacki", "Ich bin ein dummes Stück Dreck" und "Ich bin eine kleine, gierige Sau *grunz, grunz*" kaufen. Die Verkäuferin fordert den Kunden dabei stets dazu auf, die Produkte beim Namen zu nennen, lässt Umgehungsversuche wie "den Nougat-Berliner" nicht zu und droht: "Du weißt, was Du tun musst."
@marvinhoffmanncomedy KÜRBIS-KNACKI #fyp #foryou #comedy #sketch #bäckerei #brötchen ♬ Originalton - Marvin Hoffmann
Dass der Comedian mit seinem Sketch offenbar einen Nerv trifft, lässt sich von den Kommentaren ableiten. User schreiben unter anderem "Beim Bäcker bezahlt man mit seiner Würde" oder berichten von eigenen Erfahrungen: Manche wurden "gezwungen, ‚Prinz Luitpold der Dritte Jagdbrötchen‘ auszusprechen", mussten eine "Ohrfeige" bestellen oder "für meine Mama immer ‚Liebesknüppel‘ holen". Ein weiterer TikTok-User schrieb: "Wenn man schonmal ein "Schlemmer Schlüppi" bestellen musste, fühlt man es."
Phänomen ist auch in Franken angekommen
Offenbar empfinden mehrere Kunden den Bäckerbesuch und den Trend zur Personalisierung von Gebäck als Tortur – natürlich mit einem Augenzwinkern. Auch Bäckereien in Nürnberg und der Region zwingen ihre Kundschaft mitunter dazu, verbal die Hosen herunterzulassen: Bei der Kette "Der Beck" heißen diverse Krapfen etwa "Captain Nougat", "Froschkönig" oder "Blaubär". Beim "Kalchreuther Bäcker" bekommt man bei der Bestellung eines "Kleinen Italieners" ein Laib Brot. Und die "Bäckerei Feihl" listet in ihrem Sortiment etwa den "Saaten Toni", "Kartöffli", die "Kürbis Vroni", den "Wilden Joe" oder den "Rebell".
Übrigens: Der Trend betrifft nicht nur Bäckereien, sondern insbesondere auch vermeintlich coole Cocktail-Bars und Burgerläden. In der Getränke-Karte der Erlanger Bar "Arizona" findet man beispielsweise den "Roundhouse Kick", den "One Night Stand" oder den "Killer Cool Aid". Bei "Burger‘n‘Friends" in Fürth kann man "Lady Killer" und die "Sexmachine" bestellen. Das sind natürlich Cocktails, eh klar. Und bei "Burgerheart Nürnberg" wird man mit "Killer Kowalski", "Oooh Mami" oder "Loumi Loumi" satt – vorausgesetzt, man nimmt vorher all seinen Mut zusammen, überwindet seine inneren Grenzen und bringt als erwachsene Person die merkwürdigen Namen bei der Bestellung über die Lippen.