Photoshop-Graffitis

Manipulierte Fotos: Wie Münchner Häuserwände für prorussische Desinformation herhalten müssen

dpa

20.2.2024, 08:06 Uhr
Eine Hauswand im Münchner Stadtteil Berg am Laim. In sozialen Medien ist das Foto dieser leeren Fläche aufgetaucht, das angeblich ein anti-ukrainisches Graffiti zeigen soll. Doch diese Aufnahme im Netz ist manipuliert.

© Peter Kneffel, dpa Eine Hauswand im Münchner Stadtteil Berg am Laim. In sozialen Medien ist das Foto dieser leeren Fläche aufgetaucht, das angeblich ein anti-ukrainisches Graffiti zeigen soll. Doch diese Aufnahme im Netz ist manipuliert.

Ein Phänomen in der Welt der Desinformation: Kahle Häuserwände in München müssen derzeit für prorussische Propaganda herhalten. In sozialen Medien tauchen immer wieder Fotos vermeintlicher Graffitis auf, die den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in ein schlechtes Licht rücken. Doch die leeren Fassaden sind in Wirklichkeit gar nicht beschmiert worden. Eine Expertin erklärt, was hinter solchen Fälschungen steckt.

Behauptung

An Häuserwänden in Deutschland kann man die Stimmungslage gegen die Ukraine ablesen.

Bewertung

Falsch. Es sind manipulierte Fotos.

Fakten

Der ultrakonservative US-Fernsehjournalist Tucker Carlson soll angeblich die Gefühlslage in Deutschland wiedergeben: Ein Graffiti mit seinem schwarz-weißen Konterfei zeigt ihn mit gestrecktem Mittelfinger in Richtung US-Präsident Joe Biden. Eine Aufnahme der so bemalten Hauswand geistert Anfang Februar durch soziale Medien. Der Ort, an dem das Foto angeblich entstand: vor der ukrainischen Botschaft in Berlin.

Allein: Alles daran ist gelogen. Das Mehrparteienhaus auf dem Foto steht nicht in der deutschen Hauptstadt. Sondern in München. Und auch das vermeintliche Graffiti gibt und gab es dort überhaupt nicht. Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die sich an der entsprechenden Straßenecke im Stadtteil Giesing umsahen, stießen auf eine unbefleckte Wand. Durch Dreck in den Fugen wurde ein frischer Anstrich oder eine kürzliche Reinigung ausgeschlossen.

Für Pia Lamberty vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), ist die Verbreitung erfundener Graffitis keine Überraschung. "Fälschungen können eine simple Möglichkeit sein, um bestimmte Positionen zu verstärken", sagt die Co-Geschäftsführerin des Instituts, das sich unter anderem mit Desinformation und Verschwörungstheorien im Netz beschäftigt. Bereits in der Vergangenheit seien ähnliche Fake-Bilder viral gegangen.

Anti-ukrainische Street-Art im Stil Banksys?

Schon Ende 2023 machte eine andere Münchner Hauswand online eine rasante Karriere. An einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Berg am Laim soll im Stil des britischen Street-Art-Künstlers Banksy das Bild eines Mannes in orangefarbener Latzhose zu sehen gewesen sein, der mit einem Hochdruckreiniger eine blau-gelbe Flagge der Ukraine entfernt. Doch auch hier stellte sich bei einer Visite vor Ort heraus: Das angebliche Bild hat es nie gegeben.

Eine Anwohnerin und Mitglied der Eigentümergemeinschaft versicherte seinerzeit der dpa, dass es an der Stelle nie ein solches Graffiti gegeben habe. Es sei auch keines frisch überstrichen worden.

"Ein wesentliches Ziel von Desinformation ist es, Unfrieden und Chaos zu stiften und für Destabilisierung zu sorgen", erklärt Lamberty die Intention solcher Beiträge. Bestimmte Positionen und Narrative sollen verbreitet und oft größer dargestellt werden, als sie es in Wirklichkeit sind. Im Fall des erfundenen Tucker-Carlson-Graffitis wird über einen QR-Code für dessen viel kritisiertes Interview mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin geworben.

Der CeMAS-Expertin zufolge kursierten auch schon antisemitische Fake-Darstellungen von Davidsternen in Öfen. Nach Recherchen von "t-online" gab es dabei einen Zusammenhang zu der sogenannten Doppelgänger-Kampagne - einem prorussischen Netzwerk von echt wirkenden, aber gefälschten Nachrichtenseiten. Verwendet wurden Bilder von Flächen im Münchner Stadtteil Hasenbergl.

Weitere Fakes an Münchner Fassaden

In sozialen Netzwerken kursieren noch weitere Fake-Graffitis aus der bayerischen Landeshauptstadt. Die dafür abfotografierten Wände liegen teils nur wenige Schritte voneinander entfernt.

So wurde beispielsweise gerade einmal zwei Gehminuten von der Hauswand für den Carlson-Fake ein weiteres Wohnhaus in Giesing abgelichtet. Auf diese Fläche wurde dann eine Darstellung Selenskyjs im Clownskostüm gephotoshoppt. 80 Meter in eine andere Richtung wiederum wird eine leere Fassade genutzt für ein angebliches Graffiti, das einen von der Ukraine verursachten Leichenberg zeigt. Für ein erfundenes Gemälde des ukrainischen Präsidenten als Ratte musste die Seitenwand einer Garage im Bezirk Ramersdorf-Perlach herhalten.

In allen Fällen ließen sich die vermeintlichen Bilder vor Ort nicht finden. Die Aufnahmen wurden also im Nachhinein manipuliert.

Bei der Polizei München sind in den vergangenen Wochen keine Anzeigen wegen Graffitis oder Schmierereien in den entsprechenden Straßen eingegangen.