Markus Kavka: "Wir müssen auch über die dunklen Seiten reden"
19.12.2016, 15:59 UhrNZ: Wie kam es zu Ihrem Engagement für "Freunde fürs Leben"? Gab es in Ihrem persönlichen Umfeld einen Suizid?
Markus Kavka: Ja, es gab in der Tat in meinem Umfeld einen Suizid. Das ist jetzt gut 20 Jahre her, aber die Situation ist mir immer noch sehr präsent. Es handelte sich um einen Drogenabhängigen, der irgendwann angekündigt hat, sich den "goldenen Schuss" setzen zu wollen – und der das dann leider auch umgesetzt hat. Wir, seine Freunde, und auch die Familie, waren alle zusammen sehr hilflos. Wir wussten weder, was wir ihm raten sollen, noch wo wir hingehen können, um uns zu informieren. Als dann 2001 "Freunde fürs Leben" gegründet wurde, fand ich das sehr hilfreich. So eine Anlaufstelle hätte ich damals gern gehabt. Mein Engagement war für mich deswegen die logische Konsequenz.
NZ: Was unterscheidet Ihrer Auffassung nach die Herangehensweise der "Freunde fürs Leben" von anderen Hilfsangeboten?
Kavka: Mir gefällt, dass auf eher leichte und spielerische Art und Weise das Thema Suizid thematisiert und dadurch enttabuisiert wird. Das Problem ist ja, dass das Thema in den Medien kaum auftaucht. Über so ein "spaßbefreites Thema" wollen viele Medien nicht berichten. Deswegen versucht der Verein, neue Mittel und Wege zu finden, über Suizid und Depression aufzuklären. Der "Bar-Talk", den ich moderiere, ist dafür ein Beispiel.
NZ: Was macht das Format so besonders?
Kavka: Es ist schon etwas ganz Neues auf einem frei zugänglichen Youtube-Kanal, Prominente zu interviewen, die freimütig über ihre Erfahrungen mit Suizid und Depression berichten. Im Moment läuft die zweite Staffel, die dritte wird ab Frühjahr gedreht. Der "Bar-Talk" ist übrigens ein Kind von uns allen gemeinsam: Wir haben uns im Verein vorletztes Jahr mal zusammengesetzt und nachgedacht, wie man möglichst viele Menschen niederschwellig erreicht. Ich mache ja schon jahrelang Interviews und Sven Haeusler, der wie ich den Verein unterstützt, ist ein preisgekrönter Regisseur – so kamen wir auf die Idee, mal so ein Youtube-Format zu versuchen, das auch so ein bisschen die Quintessenz des Vereins darstellt.
NZ: Wie zufrieden seid Ihr mit den Reaktionen?
Kavka: Sehr zufrieden. Die Art und Weise der Reaktionen zeigt uns, dass wir da schon was richtiggemacht haben. Unser Ziel ist ja, Prominente zu zeigen, die offen über diese Themen reden und so zu Türöffnern werden für Menschen, die das aus Scham vielleicht nicht tun. In dem Moment, in dem Sänger Nicholas Müller oder DJ und Musikproduzent Oliver Koletzki über ihre dunklen Seiten, Depressionen und Krisen sprechen, öffnen sich viele junge Menschen. Viele haben sich bei uns bedankt und gesagt, sie hätten durch das Format das Selbstvertrauen gefasst, im Freundeskreis Dinge anzusprechen.
NZ: Wie schätzen Sie in Zeiten psychisch gestörter Amokläufer denn in Deutschland grundsätzlich die Stimmung gegenüber psychischen Erkrankungen ein?
Kavka: Es ist definitiv so, dass Depressionen in der Gesellschaft immer noch nicht als Krankheit wahrgenommen werden. Sie werden oft als Macke abgetan. "Du hast doch sonst ein schönes Leben. Das wird schon wieder. Reiß Dich mal zusammen!", sind die wenig hilfreichen Sprüche, die sich Erkrankte oft anhören müssen. Durch den Fall des Fußballtorwarts Robert Enke hat da vor ein paar Jahren ein Umdenken eingesetzt. Depression ist ein klinischer Befund, über den man sprechen muss. Die Wahrnehmung hat sich verbessert – aber es ist noch ein weiter Weg, bis die Krankheit so behandelt wird, wie wir uns das im Verein wünschen.
NZ: Sie hatten die mangelnde Medienpräsenz kritisiert. Wie wollen Sie die Medien dazu bringen, sich den Themen stärker zu widmen?
Kavka: Wir sind uns vollkommen darüber einig, dass man in der Lokalpresse um Gottes Willen nicht über jeden Suizid berichten soll. Das kann zu Nachahmungen führen und das presse-interne Abkommen, darüber nicht zu berichten, ist völlig richtig! Auf der anderen Seite ist das Thema ein weites Feld. Der Grund, warum Betroffenen häufig keine Hilfe in Anspruch nehmen ist der, weil es immer noch so ein Tabu ist, sich über Selbstmord Gedanken zu machen. Und da, finde ich, könnte man schon noch mehr tun – so wie wir jetzt gerade.
NZ: Fällt es Ihnen zunehmend leichter, über diese schweren Themen zu sprechen?
Kavka: Nein. Es fällt mir überhaupt nicht leicht, weil es mich immer wieder an diese Episode aus meiner eigenen Vergangenheit erinnert. Aber gerade dieses Kapitel ist ja die Triebfeder, die mein Engagement begründet. 10.000 Menschen die sich jedes Jahr in Deutschland selbst töten, darunter rund 600 Jugendliche – das sind wirklich krasse Zahlen, wenn man bedenkt, wie vielen man im Vorfeld hätte helfen können.
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