Bröckelnde Infrastruktur
Marode Brücken: Bericht sieht viel höheren Sanierungsstau
16.04.2025, 09:11 Uhr
Der Bund unterschätzt den Sanierungsstau bei den maroden Brücken in Deutschland einer Erhebung zufolge deutlich. Insgesamt sind der Organisation Transport & Environment (T&E) zufolge rund 16.000 Brücken in Bundeshand baufällig.
„Wird die Sanierung dieser Brücken verschleppt, dann sind sie anfälliger für Verschleiß, was mittelfristig zu noch höheren Kosten führt.“ Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen nach T&E-Berechnungen bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investiert werden.
T&E ist ein europäischer Dachverband nicht-staatlicher Organisationen, die sich nach eigenen Angaben für nachhaltigen Verkehr einsetzen.
Das Verkehrsministerium teilte auf Anfrage mit, dass die genannte Zahl der 16.000 Brücken nicht nachvollziehbar sei.
Ringbahn- und Carolabrücke als Beispiele der maroden Brücke
Schon jetzt führt die überalterte Infrastruktur dazu, dass Bauwerke immer wieder kurzfristig gesperrt werden müssen. Jüngstes Beispiel ist die sogenannte Ringbahnbrücke auf der A100 im Westen Berlins. Sie ist seit Mitte März dicht, weil sich ein Riss im Tragwerk vergrößert hatte.
Derzeit wird das Bauwerk von 1963 abgerissen - dann soll ein Neubau folgen. Wann die neue Brücke steht, ist offen. Die Ringbahnbrücke gehört zu einem der wichtigsten Verkehrsknoten in Deutschland - dem Autobahndreieck Funkturm.

Auf kommunaler Ebene ist die Carolabrücke in Dresden der wohl prominenteste Fall. Die Brücke stürzte im September 2024 in Teilen in die Elbe. Seit Dienstag ist auch die Brücke am Damaschkeplatz im Magdeburger Stadtzentrum wegen erheblicher Schäden vollständig gesperrt. Betroffen sind der Autoverkehr, Straßenbahnen, Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Fußgänger.
„Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar“, schreibt T&E in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Viele Brücken, oft in den 1970er Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.“

T&E bemängelt vor allem, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz in den Blick nimmt. Dem Sanierungsplan des Ministeriums zufolge sollen in einem Zeitraum von zehn Jahren 4.000 Brücken im Kernnetz stark belasteter Autobahnen saniert werden. Langfristig sollten weitere 4.000 Autobahnbrücken folgen.
Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums sagte: „Aufgrund der großen Anzahl und um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, ist eine Priorisierung notwendig.“
Vor allem in Stadtstaaten sind die Brücken in schlechtem Zustand
T&E kommt auf deutlich höhere Zahlen als das Ministerium: „Insgesamt müssen 5.905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10.240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.“

Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. „Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen viele Brücken deutlich über ihre ursprüngliche Auslegung belastet sind.“ In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Brückenfläche, die neu gebaut werden müsse, doppelt so hoch wie in Bayern. Die Brücken in den Ostdeutschen Flächenländern seien hingegen „zu großen Teilen in den 90er Jahren errichtet und schon damals auf höhere Verkehrslasten ausgelegt“ worden.
„Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken“
„Wir wissen eigentlich genau, welche Brücke schnell saniert werden muss“, sagte Benedikt Heyl von T&E Deutschland. „Doch das Verkehrsministerium hinkt den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt. Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.“
T&E fordert von der künftigen Bundesregierung unter anderem, dass Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur geben müssten. Zudem müssten Sanierung und Instandhaltung Vorrang vor dem Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen haben. Dieser Forderung schloss sich die Grünen-Haushälterin Paula Piechotta an. „Wie viele Mahnungen und Studien braucht es noch, bis auch die Letzten bei Union und SPD begriffen haben, dass es künftig einzig und allein um Sanierung der Straßen statt um Neubau gehen muss?“, sagte sie. Erhalt sei das Gebot der Stunde.
Grundlage der T&E-Berechnungen sind unter anderem Daten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen.