Angriff in Berlin

Behörden: Messerangreifer am Mahnmal wollte wohl Juden töten

22.02.2025, 13:41 Uhr
Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen 19 Jahren alten anerkannten Asylbewerber aus Syrien.

© Ebrahim Noroozi/AP/dpa Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen 19 Jahren alten anerkannten Asylbewerber aus Syrien.

Nach dem blutigen Angriff auf einen 30-jährigen spanischen Touristen im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin geht die Berliner Staatsanwaltschaft von einem antisemitischen Hintergrund aus. Verdächtigt wird ein 19-jähriger anerkannter Flüchtling aus Syrien, wie die Behörde mitteilte. Der Mann war am Freitagabend wenige Stunden nach der Tat im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen worden. 

"Nach bisherigen Ermittlungen und dem aktuellen Kenntnisstand sollen Zusammenhänge mit dem Nahostkonflikt bestehen", teilte die Staatsanwaltschaft mit. "Nach bisherigem Kenntnisstand, insbesondere aufgrund entsprechender Äußerungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei, soll seit einigen Wochen der Plan in ihm gereift sein, Juden zu töten." Vor diesem Hintergrund sei auch die Auswahl des Tatorts erfolgt. Über ein antisemitisches Motiv hatten zuerst "stern" und "Tagesspiegel" berichtet.

Ort bewusst ausgesucht

Das Denkmal für die ermordeten Juden in Europa erinnert in der historischen Mitte Berlins an die sechs Millionen Juden, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordet wurden. 

Zudem soll eine religiöse Motivation bestanden haben. Demnach hatte der Mann neben dem Messer als mutmaßlicher Tatwaffe auch einen Koran, einen Zettel mit Versen aus dem Koran sowie einen Gebetsteppich in seinem Rucksack dabei.

Der Angreifer soll heute einem Haftrichter vorgeführt werden. Der Mann lebte dpa-Informationen zufolge in einer Geflüchtetenunterkunft in Leipzig. Einsatzkräfte durchsuchten am Morgen die Einrichtung. 

Opfer in stabilem Zustand 

Der 19-Jährige wird verdächtigt, den Spanier von hinten mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich am Hals verletzt zu haben. Der 30-Jährige musste notoperiert und zeitweise in ein künstliches Koma versetzt werden. Lebensgefahr bestehe inzwischen nicht mehr, hieß es. Nach der Tat wurden auch einige Menschen von Rettungskräften betreut, die Zeugen des Geschehens geworden waren. 

Am Samstagmorgen war der Bereich weiter abgesperrt.

Am Samstagmorgen war der Bereich weiter abgesperrt. © Paul Zinken/dpa

Während der Polizeimaßnahmen lief der mutmaßliche Täter den Angaben zufolge auf die Beamten zu. Ihnen fielen seine blutverschmierten Hände und die Hose auf. Daraufhin nahmen sie den Mann fest. Der 19-Jährige soll den Angaben zufolge 2023 als unbegleiteter minderjährlicher Flüchtling nach Deutschland gekommen sein. 

Er habe bei der Festnahme einen klaren Eindruck gemacht, hieß es. "Ob eine psychische Erkrankung vorliegt, ist Gegenstand der Ermittlungen." Anhaltspunkte für Verbindungen zu anderen Personen oder Organisationen lägen nicht vor. Der Beschuldigte sei strafrechtlich in Berlin bisher nicht auffällig geworden und war weder polizei- noch justizbekannt.

Mehrere tödliche Angriffe vor Wahl

In den vergangenen Wochen und Monaten gab es in Deutschland mehrere auch tödliche Angriffe, deren Hintergründe allerdings unterschiedlich waren. Das Thema Migration dominierte daraufhin den Bundestagswahlkampf. So fuhr am 13. Februar ein 24-jähriger Afghane in München mit einem Auto in einen Verdi-Demonstrationszug. Ein zweijähriges Mädchen und seine 37 Jahre alte Mutter starben später im Krankenhaus, mindestens 37 weitere Menschen erlitten teils schwere Verletzungen. 

In einem Park in Aschaffenburg soll ein 28 Jahre alter Afghane im Januar ihm offensichtlich unbekannte Menschen mit einem Messer angegriffen haben. Ein zweijähriger Junge marokkanischer Herkunft und ein 41-jähriger Deutscher starben. Kurz vor Weihnachten war zudem ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Sechs Menschen kamen ums Leben, knapp 300 wurden verletzt.

Suche mit Hunden und Hubschrauber

Zahlreiche Polizisten hatten bis in die Nacht den Bereich um das Mahnmal, das in der Nähe des Brandenburger Tors und der US-Botschaft liegt, abgesucht. Im angrenzenden Tiergarten waren Beamte mit Spürhunden unterwegs. Auch ein Polizeihubschrauber war an der Suche beteiligt.

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen im Laufe des Tages weitere Informationen veröffentlichen zum Stand der Ermittlungen. Das Opfer war den Angaben nach am Abend in einem stabilen Zustand. Nach der Tat wurden auch einige Menschen von Rettungskräften betreut, die Zeugen des Geschehens geworden waren.

Das Motiv für den Angriff war zunächst unklar. Der mutmaßliche Täter hatte bei der Festnahme nach Polizeiangaben keine Papiere bei sich und war leicht bekleidet. Das Landeskriminalamt 8, zuständig für islamistischen Terror, sei vorsorglich eingebunden worden, erklärte Polizeisprecher Florian Nath am Abend. Anhaltspunkte dafür gebe es bislang aber nicht. Auch die Nationalität des Verdächtigen sei unbekannt.

Beweismittel im Umfeld gefunden

Der Verdächtige wurde nach den Angaben in Polizeigewahrsam gebracht und von den Ermittlern weiter vernommen. "Wir haben mehrere Beweismittel gefunden", sagte Sprecher Nath am Abend. Die würden jetzt untersucht.

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas des Architekten Peter Eisenman war im Mai 2005 der Öffentlichkeit übergeben worden. Mit dem Stelenfeld und einem unterirdischen Informationsort wird in der Hauptstadt nahe dem Brandenburger Tor an die rund sechs Millionen ermordeten Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus erinnert.