Ermittlungen wegen Tötung
Milliardärs-Tochter aus Jacht-Wrack geborgen – jetzt übernimmt die Staatsanwaltschaft
24.08.2024, 16:20 Uhr
Mit rührenden Worten hat sich die ältere Schwester von Hannah Lynch, die bei dem Jacht-Untergang vor Sizilien gestorben ist, von der 18-Jährigen verabschiedet. "Sie ist mein kleiner Engel, meine Heldin", schrieb Esme Lynch britischen Medien zufolge in einer Mitteilung der Familie. "Hannah platzte oft in mein Schlafzimmer und legte sich zu mir. Manchmal strahlte sie, manchmal war sie frech, manchmal fragte sie um Rat. Egal, was passierte, sie brachte mir grenzenlose Liebe."
Hannah Lynch war bei dem Unglück am frühen Montagmorgen gemeinsam mit ihrem Vater, dem britischen Tech-Milliardär Mike Lynch, und fünf weiteren Menschen ums Leben gekommen. Ihre Leiche wurde nach tagelanger Suche in 50 Metern Tiefe gefunden. Die ältere Schwester Esme war nicht an Bord der Luxusjacht "Bayesian", die Mutter überlebte das Unglück.
Hannah Lynch hatte Zulassung für Oxford
Hannah Lynch hatte erst vor Kurzem ihre A-Level-Prüfung - das britische Pendant zum Abitur - erfolgreich absolviert und eine Zusage für die renommierte Universität Oxford erhalten, wo sie Englisch studieren wollte. "Ich habe noch nie jemanden unterrichtet, der so enorme intellektuelle Fähigkeiten mit Wärme und Enthusiasmus verband wie Hannah", wurde Jon Mitropoulos-Monk zitiert, Leiter des Fachbereichs Englisch an der Latymer Upper School im Londoner Stadtteil Hammersmith.
Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Tötung
Die riesige Luxusjacht "Bayesian" lag knapp einen Kilometer vor der Küste vor Anker, als sie in einem schweren Sturm sank. Der neuseeländische Kapitän sagte aus, vom Ausmaß des Unwetters überrascht worden zu sein. Mehrere Experten vertreten hingegen die Meinung, dass Fehler gemacht wurden und das Schiff auf den heraufziehenden Sturm nicht richtig vorbereitet wurde. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung eingeleitet. Damit soll geklärt werden, ob das Segelschiff möglicherweise sank, weil die Gefahr eines aufziehenden Sturms unterschätzt wurde. Bislang richten sich die Ermittlungen aber nicht konkret gegen den Kapitän oder andere Mitglieder der Crew.
Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde die "Bayesian" frühmorgens in einem Sturm mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde von einer Fallböe getroffen, was dann zum Untergang binnen weniger Minuten führte. Staatsanwalt Raffaele Cammarano sagte auf einer Pressekonferenz in Palermo: "Es war ein plötzliches, abruptes Ereignis." Allerdings hatten andere Kapitäne in der Region ihre Boote zuvor in Sicherheit gebracht.
Fallböen entstehen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes, wenn kalte Luft in einem Gewitter nach unten fällt, auf den Boden trifft und sich dort in linearer Richtung ausbreitet. Aus nächster Nähe sehen sie oft wie eine "weiße Wand" aus, die sich rasend schnell bewegt. Häufig richten sie sogar mehr Schäden an als Tornados.
Bergung könnte sich noch Wochen hinziehen
Aufschlüsse erhoffen sich die Ermittler von der sogenannten Blackbox der 56 Meter langen Luxusjacht, die allerdings noch nicht entdeckt wurde. Zudem will die Staatsanwaltschaft vor einer Ausweitung der Ermittlungen die Bergung des Schiffs abwarten, was mehrere Wochen in Anspruch nehmen könnte. Die 500-Tonnen-Jacht – eines der größten Segelschiffe der Welt – liegt einen Kilometer vor dem kleinen Hafen Porticello in 50 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund.
Die Staatsanwaltschaft schloss aber auch nicht aus, dass zuvor schon einige Beteiligte namentlich in ein Register der Verdächtigen eingetragen werden. Dies würde ihnen nach italienischem Recht Zugang zu den Akten erlauben. Staatsanwalt Ambrogio Cartosio sagte: "Man darf nichts überstürzen. Man muss verstehen, wem ein Verbrechen zuzuschreiben ist. Das kann sowohl den Kapitän und die Besatzung als auch den Hersteller betreffen."
Insbesondere geht es auch um die Frage, warum mit Ausnahme des Schiffskochs alle Crew-Mitglieder überlebten – von den zwölf Passagieren aber nur die Hälfte. Vermutet wird, dass die Todesopfer in ihren Kabinen im Schlaf überrascht wurden und sich nicht mehr befreien konnten. Auch von einer Party am Vorabend ist die Rede. Nach Angaben der Ermittler wurde bei den Überlebenden keine Alkoholtests gemacht.
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